Donnerstag, 15.12.2011 GEORG SEESSLEN / MARKUS METZ: Blödmaschinen. Die Fabrikation der Stupidität

Diese Gesellschaft verwandelt sich von einem System, das von sich selbst nichts wissen kann, über ein System, das von sich selbst nichts wissen darf, in ein System, das von sich selbst nichts wissen will…

»Fernsehen macht dumm«, »Unser Bildungssystem produziert karrieristische Fachidiot_innen«, »Der Kapitalismus braucht Konsumtrottel« – Wenn eine Gesellschaft auf das in ihr (zu Recht) grassierende Unbehagen an »allgemeiner Verblödung« statt mit handfesten Gegenmaßnahmen bevorzugt mit kulturpessimistischen Slogans und Verschwörungstheorien reagiert, wird klar, wie sehr sie sich bereits in ihrem Dummsein eingerichtet, es gar zum System erhoben hat. Markus Metz und Georg Seeßlen analysieren die Mechanismen, mit denen Dummheit heute produziert wird, nebst den fatalen Strategien, mit denen die meisten Individuen sie »bewältigen« und dergestalt noch verstärken. Wer sich der Dynamik der »Blöd-Maschinen« nicht blind oder – noch schlimmer – sehend ergeben möchte, muss ihre Strukturen begreifen. Nur so entsteht die Chance, sie zu zerschlagen.

Georg Seeßlen hat Malerei und Kunstgeschichte an der Kunsthochschule München studiert und ist freier Autor und Journalist unter anderem bei Die Zeit, konkret und taz. Er lebt in Kaufbeuren.

Markus Metz hat Publizistik, Politik und Theaterwissenschaften an der FU Berlin studiert, ist freier Journalist und Autor und lebt in München.

2x fub diese Woche

Donnerstag 8.12

Andreas Kallert / Heine r Heiland / Vincent Gengnagel:

Deutsche Perspektiven auf Ostafrika

Krieg mit anderen Mitteln (Info s. unten)

Ort: Balthasar, Balthasargäßchen 1 (zwischen Schranne und Kaulberg)
Beginn: 20:00
Eintritt: frei

Freitag, 09.12.2011

GEORG FÜLBERTH:

Die Funktion von Wirtschaftskrisen im Kapitalismus

(Info s. unten)

Ort: Balthasar, Balthasargäßchen 1 (zwischen Schranne und Kaulberg)

Beginn: 20:00

Eintritt: frei

Andreas Kallert / Heine r Heiland / Vincent Gengnagel:

Deutsche Perspektiven auf Ostafrika

Krieg mit anderen Mitteln

»Wir haben bestimmte Standards, weil unsere Entwicklungspolitik wertorientiert ist. Von diesen Standards weichen wir nicht ab. Entwicklungspolitik darf aber auch interessengeleitet sein, solange die Werte im Vordergrund stehen.« (Bundesentwicklungsminister Niebel, 2010)

Wir werden zunächst die machtpolitische Situation in Ostafrika skizzieren, um die Rolle Deutschlands in dieser Region kritisch aufzeigen zu können: von der Kolonialgeschichte – insbesondere Somalias, Äthiopiens, Sudans und Kenias – bis hin zur entwicklungspolitischen Niebel-Köhler-Ära, die mit wachsender Selbstverständlichkeit den humanitären Wertekanon übergehen »darf« – und dafür gute Gründe hat. Eine Analyse der strategischen Interessen der »Zivilmacht« Deutschland soll die Grundlage für die anschließende Diskussion bilden, die zum Beispiel der Frage nachgehen könnte, worin der Unterschied zwischen entwicklungspolitischen Engagement außer- und innerhalb der Bundeswehr liegt.

Vincent Gengnagel und Andreas Kallert haben im letzten Semester über Entwicklungslinien der bayerischen Außenpolitik gegenüber Tschechien und Ungarn gesprochen, während Heiner Heiland als Praktikant unter Niebel gedient hat.

GEORG FÜLBERTH:

Die Funktion von Wirtschaftskrisen im Kapitalismus

Die Trennung von spekulativem und produktivem Kapitalismus ist irreführend. Eine zentrale Voraussetzung von Investition im Kapitalismus ist die „Erwartung“, dass eingesetztes Kapital einen Gewinn bringt. „Erwartung“ lässt sich auch mit „Spekulation“ übersetzen. Nicht nur der/die Börsenjobber_in, sondern auch der/die produktive Unternehmer_in muss also in diesem Sinn investieren.
Durch Gewinne wird das vorhandene Kapital vermehrt, Fachausdruck: “akkumuliert“. Da dies unter den Bedingungen von Konkurrenz geschieht, kommt es immer wieder zu Über-Akkumulation, die anschließend in einer zyklischen Krise abgebaut wird. Diese zyklischen Krisen haben eine Reinigungsfunktion.
Daneben gibt es Systemische Krisen, die überzyklisch auftreten und in denen das kapitalistische Gesellschaftssystem eine völlig neue Form annimmt. In der bisherigen Geschichte gab es sie viermal: 1873, 1929, 1975 und seit 2007.
Wie wird der Kapitalismus nach der gegenwärtigen Krise aussehen? Das soll in Vortrag und Diskussion erörtert werden.

Donnerstag 01.12.2011: FRANK APUNKT SCHNEIDER: Deutschpop, halt’s Maul! Für eine Ästhetik der Verkrampfung

Popkultur war vielleicht das wichtigste Reeducation-Programm, das die Alliierten auflegten. Sie überschrieb deutsche Kultur und entfremdete die Kids von Scholle und Volksgemeinschaft. Popmusik auf Deutsch war daher lange Zeit undenkbar. Erst mit Punk entstanden deutsche Texte, die sich zur Kolonialisiertheit durch Pop bekannten. Und als aus der guten alten BRD wieder hässliches neues Deutschland geworden war, verstärkten Bands wie Kolossale Jugend oder die frühen Blumfeld (nicht zu verwechseln mit den späten) die Dissonanzen. Ihre Sperrigkeit war eine Abfuhr ans neu verordnete Wir-Gefühl. Aber in ihrem Windschatten entstand eine neue Generation, die endlich ganz unverkrampft deutsch singen wollte. Tomte, Kettcar oder Klee sangen (noch…) nicht für Deutschland, aber ihr kleinbürgerlicher Gemütsindiepop passt gut zum Entkrampfungsbefehl der Berliner Republik.
An das, was dafür aufgegeben wurde, will der Vortrag erinnern, indem er vom »Fremdwerden in der eigenen Sprache« (NDW) erzählt, von der Materialästhetik der Verkrampfung (Hamburger Schule), von der unglaublich seltsamen Unmöglichkeit deutscher Popaffirmation (Schlager) und natürlich von der Hässlichkeit des Unverkrampften.

Frank Apunkt Schneider ist unfreier Künstler, Autor und selbsternannter Poptheoretiker, Redakteur bei Testcard und Skug und außerdem deutscher Außenposten der Kulturbewegung monochrom (www.monochrom.at). Zuletzt hat er in der Freien Uni über das Thema »Indie-Hände-gespuckt. Zur Kritik der Kultur der Unabhängigkeit« gesprochen.