fub presents: Donnerstag 28. November 2013. RO­BERT ZWARG: »Dem Markt ent­geht keine Theo­rie mehr« – Kri­ti­sche Theo­rie zwi­schen Wis­sen­schafts­kri­tik und Aka­de­mi­sie­rung


Die Kri­ti­sche Theo­rie ist ohne Zwei­fel im Wis­sen­schafts-​ und Kul­tur­be­trieb an­ge­kom­men. Viel­fach über­setzt und in zahl­lo­sen Va­ri­an­ten wie­der­ver­öf­fent­licht, fi­nan­zie­ren die Schrif­ten Theo­dor W. Ador­nos und Wal­ter Ben­ja­mins aus der Back­list des Suhr­kamp Ver­la­ges eine Gior­gio-​Agam­ben-​Aus­ga­be nach der an­de­ren. Ganze Bi­blio­the­ken lie­ßen sich mit der Se­kun­där­li­te­ra­tur zur Kri­ti­schen Theo­rie fül­len. Ein­füh­run­gen, Ex­ege­sen, Kri­ti­ken, Ver­glei­che und Hand­bü­cher tum­meln sich im Bü­cher­meer; in Ame­ri­ka sind unter dem Stich­wort »Cri­ti­cal Theo­ry« – er­wei­tert um die kon­ti­nen­ta­le Geis­tes­ge­schich­te von Kant bis Der­ri­da – sogar Ab­schlüs­se zu er­wer­ben. Moch­te es noch his­to­ri­scher Zu­fall ge­we­sen sein, dass Ador­no ein »Staats­feind auf dem Lehr­stuhl« (Wolf­gang Pohrt) sein konn­te, heute sind die Kri­ti­sche Theo­rie, eben­so wie der Mar­xis­mus, le­gi­ti­me Ti­ckets in den aka­de­mi­schen Be­trieb. Die Aka­de­mi­sie­rung einer nicht nur ra­di­kal kri­ti­schen – das heißt an die Wur­zeln der ge­sell­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se ge­hen­den –, son­dern de­zi­diert an­ti-​aka­de­mi­schen und wis­sen­schafts­kri­ti­schen Denk­tra­di­ti­on ist er­klä­rungs­be­dürf­tig. Um das Ver­hält­nis der Tra­di­ti­on Ador­nos, Hork­hei­mers et al. zum Wis­sen­schafts­be­trieb zu er­hel­len, folgt der Vor­trag der These, dass die Kri­ti­sche Theo­rie von einer ge­sell­schaft­li­chen Ent­wick­lung ein­ge­holt wurde, die sie selbst vor­aus­ge­se­hen hat und an der sie gleich­wohl teil­hat­te.

Ro­bert Zwarg lebt in Leip­zig und pro­mo­viert zur Re­zep­ti­on der Kri­ti­schen Theo­rie in Ame­ri­ka. Er ist Mit­glied der Re­dak­ti­on der Phase 2.

Ort: Bal­tha­sar, Bal­tha­s­ar­gäss­chen 1 (zwi­schen Schran­ne und Kaul­berg)
Be­ginn: 20:00
Ein­tritt: frei

fub presents: Donnerstag 21. November. Sonja M. Schultz. Der Na­tio­nal­so­zia­lis­mus im Film. Von Tri­umph des Wil­lens bis In­g­lou­rious Bas­terds. Buch­vor­stel­lung mit Bil­dern und Film­aus­schnit­ten

Das Kino war ein ent­schei­den­der Ort na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Selbst­dar­stel­lung, und der Film hat sich seit den fa­schis­ti­schen Pro­pa­gan­da-​Bil­dern un­ab­läs­sig mit dem Na­tio­nal­so­zia­lis­mus be­fasst: mit den Nazis und Hit­ler, mit dem Ho­lo­caust, dem Ver­nich­tungs­krieg, mit Wi­der­stand und Be­frei­ung. Wie­der und wie­der wird die Ver­gan­gen­heit, die sich nicht be­wäl­ti­gen lässt, in­sze­niert: in Spiel­fil­men, Sa­ti­ren, Do­ku­men­tar­fil­men, als Ho­lo­caust-​Dra­ma, Sci­ence Fic­tion oder Trash­film, im Kino, im Fern­se­hen und im In­ter­net.
Sonja M. Schultz zeigt Aus­schnit­te aus über 70 Jah­ren NS im Film: her­aus­ra­gen­de Werke, hart­nä­cki­ge Kli­schees, är­ger­li­cher Re­vi­sio­nis­mus.

Sonja M. Schultz ist Film­jour­na­lis­tin und Film­wis­sen­schaft­le­rin aus Ber­lin. Ihre In­ter­es­sens­schwer­punk­te sind Ge­schichts­bil­der, Do­ku­men­tar­fil­me und NS-​Pro­pa­gan­da­fil­me. Der Na­tio­nal­so­zia­lis­mus im Film (2012) ist ihre über­ar­bei­te­te Dis­ser­ta­ti­ons­schrift.

Ort: Bal­tha­sar, Bal­tha­s­ar­gäss­chen 1 (zwi­schen Schran­ne und Kaul­berg)
Be­ginn: 20:00
Ein­tritt: frei

fub presents: Donnerstag und Freitag den 14./15. November. Antifa und Western.

Don­ners­tag, 14.​11.
MIRJA KEL­LER UND JAN SCHLE­MER­MEY­ER:
An­ti­fa – Ge­schich­te und Or­ga­ni­sie­rung

In dem Buch An­ti­fa – Ge­schich­te und Or­ga­ni­sie­rung (Reihe www.​theorie.​org / Schmet­ter­ling Ver­lag), das die­ses Jahr be­reits in zwei­ter über­ar­bei­te­ter Auf­la­ge er­schie­nen ist, geben die Au­to­r_in­nen einen Über­blick über die Vor­läu­fer sowie Theo­ri­en und Prak­ti­ken der An­ti­fa-​Be­we­gung heute und der ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­te. Das Buch bie­tet die Mög­lich­keit, Er­kennt­nis­se über er­ar­bei­te­te und ver­wor­fe­ne Theo­ri­en sowie Er­fol­ge und Nie­der­la­gen der Pra­xis zu sam­meln, was ge­ra­de für die mo­der­ne, sich im ste­ti­gen Wan­del be­find­li­che An­ti­fa-​Be­we­gung von gro­ßer Be­deu­tung ist. Das Buch hilft so, Wis­sen um die ei­ge­ne Ge­schich­te zu er­lan­gen, damit das Rad nicht immer neu er­fun­den wer­den muss. In dem Vor­trag wer­den die Au­to­r_in­nen Kern­the­sen des Bu­ches vor- und zur Dis­kus­si­on stel­len.

Mirja Kel­ler und Jan Schle­mer­mey­er sind seit Jah­ren in der an­ti­fa­schis­ti­schen Lin­ken in Frank­furt a. M. aktiv. Mirja Kel­ler pro­mo­viert zur re­li­gi­ös-​zio­nis­ti­schen Kib­butz­be­we­gung in Eu­ro­pa und ar­bei­tet in der po­li­ti­schen Bil­dungs­ar­beit. Jan Schle­mer­mey­er pro­mo­viert zur Trans­for­ma­ti­on der Po­li­tik im Neo­li­be­ra­lis­mus. Au­ßer­dem ar­bei­tet er mit im In­sti­tut für ka­te­go­ria­le Ana­ly­se (In­ka­tan).

Ort: Bal­tha­sar, Bal­tha­s­ar­gäss­chen 1 (zwi­schen Schran­ne und Kaul­berg)
Be­ginn: 20:00
Ein­tritt: frei

Frei­tag, 15.​11.
NILS EBERT:
»Wa­gons West!« Zur My­tho­lo­gie des US-​ame­ri­ka­ni­schen Wes­tern­films

Der Wes­tern war bis in die 1970er Jahre hin­ein ein vi­ta­les Genre, seine An­fän­ge gehen mit der Ent­wick­lung des Me­di­ums Film ein­her. Viele Wes­tern­fil­me las­sen sich als Kom­men­ta­re auf ge­sell­schafts­po­li­ti­sche Fra­gen ihrer Ent­ste­hungs­zeit lesen, gel­ten in ihrer Ar­gu­men­ta­ti­on aber als ex­trem rechts­kon­ser­va­tiv, an­ti­fe­mi­nis­tisch, bis­wei­len gar ras­sis­tisch. Der Vor­trag wird ver­schie­de­ne, größ­ten­teils zwi­schen den 1930 und 1970er Jah­ren ent­stan­de­ne US-​ame­ri­ka­ni­sche Wes­tern­fil­me an­hand von Film­aus­schnit­ten vor­stel­len, ihre nar­ra­ti­ven Struk­tu­ren un­ter­su­chen, auf die von ihnen ver­mit­tel­ten Wert- und Rol­len­an­ge­bo­te ein­ge­hen und nach ihren ideo­lo­gi­schen In­hal­ten fra­gen. Die ihnen zu­grun­de­lie­gen­de My­tho­lo­gie soll dabei skiz­ziert wer­den. Zudem wird ein Sei­ten­blick auf ei­ni­ge Coun­try-​Mu­sic-​Stü­cke ge­wor­fen. Deren Aus­sa­gen über ame­ri­ka­ni­sche Iden­ti­tät wer­den her­aus­ge­ar­bei­tet und in Bezug zum Phä­no­men des Wes­tern­films ge­setzt.

Nils Ebert stu­diert Ger­ma­nis­tik und So­zio­lo­gie in Bam­berg und hat über die Coun­try-​Mu­sic zum Wes­tern­film ge­fun­den. Ge­le­gent­lich wünscht er sich, es wäre so ein­fach, wie es John­ny Gui­tar, Prot­ago­nist in Ni­cho­las Rays gleich­na­mi­gen Wes­tern­klas­si­ker (1954), sagt: »When you boil it all down what does a man re­al­ly need? Just a smoke and a cup of cof­fee.« Zu­letzt hat Nils Ebert in der frei­en uni über das Thema »Pro­pa­gan­da 2020 – Zur Ent­fal­tung dee­s­ka­la­ti­ver Po­ten­tia­le« ge­spro­chen.

Ort: Bal­tha­sar, Bal­tha­s­ar­gäss­chen 1 (zwi­schen Schran­ne und Kaul­berg)
Be­ginn: 20:00
Ein­tritt: frei

fub presents: Donnerstag und Freitag. 7./8.11. 2x fub. 2x Türkei. 2x Fatma Umul.

Don­ners­tag, 07.​11.
FATMA UMUL:
#diren­ge­zi! (Leis­te Wi­der­stand, Gezi!)
Der Auf­stand gegen Erdoğan: Oc­cu­py-​Be­we­gung oder ›tür­ki­scher Früh­ling‹?

»Wir sind die Mehr­heit, wir wur­den ge­wählt, wir sind de­mo­kra­tisch le­gi­ti­miert!« – Mit Pro­pa­gan­da­aus­sa­gen wie die­sen ver­such­te der tür­ki­sche Pre­mier Erdoğan, die Wi­der­stän­de gegen die Zer­stö­rung des Ge­zi-​Parks als un­recht­mä­ßig zu dis­kre­di­tie­ren. Seine neo-​os­ma­ni­sche Ein-​Mann-​Au­to­ri­tät ver­half ihm, Sol­da­t_in­nen in Po­li­zei­uni­for­men klei­den zu las­sen, Po­li­zeit­er­ror zu le­gi­ti­mie­ren und die Me­di­en zu zen­sie­ren. Das Er­geb­nis: fünf Tote und tau­sen­de Ver­letz­te! Der bru­ta­le Um­gang mit den auf­ge­brach­ten Bür­ger_in­nen zeig­te die engen Gren­zen des De­mo­kra­tie­ver­ständ­nis­ses Erdoğans auf. Die For­de­rung nach dem Er­halt der Bäume im Ge­zi-​Park trans­for­mier­te sich in­ner­halb we­ni­ger Stun­den zu einer Re­vol­te gegen die Herr­schen­den. Kurz nach der Be­set­zung hieß es in einer Rede: »Wir wer­den nicht er­lau­ben, dass die mensch­li­che Ar­beits­kraft, die Städ­te, die Wäl­der, das Was­ser, die Bil­dung […] zu­guns­ten von Pro­fit kei­nen Wert mehr haben«. Neben der Dar­stel­lung der Er­eig­nis­se und einem his­to­ri­schen Ab­riss dar­über, wie die Ge­zi-​Auf­stän­de in der Ge­schich­te der Tür­kei ein­zu­ord­nen sind, soll dar­über dis­ku­tiert wer­den, wel­che glo­ba­len Dis­kur­se mit der 15-​tä­gi­gen Be­set­zung des Ge­zi-​Parks an­ge­sto­ßen wur­den, die auch nach der Räu­mung des Parks in zahl­rei­chen Park-​Fo­ren Thema sind.

Fatma Umul hat 2013 ein Prak­ti­kum bei der un­ab­hän­gi­gen Frau­en­or­ga­ni­sa­ti­on Mor Çatı in İstan­bul ge­macht. Als die Auf­stän­de los­gin­gen, dach­te sie kurz, die Re­vo­lu­ti­on sei aus­ge­bro­chen. Zu­tiefst ent­täuscht über die Räu­mung der Ge­zi-​Kom­mu­ne will sie jetzt dar­über dis­ku­tie­ren.

Ort: Bal­tha­sar, Bal­tha­s­ar­gäss­chen 1 (zwi­schen Schran­ne und Kaul­berg)
Be­ginn: 20:00
Ein­tritt: frei

Frei­tag, 08.​11.
FATMA UMUL:
»AKP, nimm deine Hände von mei­nem Kör­per!«
Erdoğans Frau­en­po­li­tik

»Wenn wir eine star­ke Na­ti­on sein wol­len, dann brau­chen wir star­ke Fa­mi­li­en. Star­ke Fa­mi­li­en mit min­des­tens drei Kin­dern«. Mit Aus­sa­gen wie die­sen ver­sucht der tür­ki­sche Pre­mier Erdoğan seit den jüngs­ten Wah­len im Jahre 2011, ›die Frau‹ als Ob­jekt für seine neo­li­be­ra­le Wirt­schafts­po­li­tik zu in­stru­men­ta­li­sie­ren. Seine kon­ser­va­ti­ve Fa­mi­li­en­ideo­lo­gie gibt vor, Ge­walt in der Fa­mi­lie zu be­kämp­fen, ta­bui­siert diese aber, wenn sie sich gegen Frau­en rich­tet. Die im­pli­zi­ten Ein­schrän­kun­gen des Ab­trei­bungs­ge­set­zes waren der Trop­fen, der das Fass zum Über­lau­fen brach­te. Es wur­den ›Über­zeu­gungs­zim­mer‹ eta­bliert, in denen Frau­en von ei­gen­stän­di­gen Ent­schei­dung ab­ge­bracht wer­den sol­len. Bei Schwan­ger­schaft auf­grund einer Ver­ge­wal­ti­gung lau­tet die Lö­sung der Re­gie­rung: »Ihr könnt ge­bä­ren und wir er­zie­hen das Kind«. Die neuen Ge­set­ze las­sen ›die Frau‹ in der Ge­sell­schaft un­sicht­bar wer­den. Kri­tik und Ge­gen­wind er­fährt Erdoğan durch zahl­rei­che fe­mi­nis­ti­sche Or­ga­ni­sa­tio­nen wie Mor Çatı.
Der Vor­trag gibt einen Ein­blick in den his­to­ri­schen Ver­lauf der zwei­ten Welle der tür­ki­schen Frau­en­be­we­gung, die sich in den 1980ern voll­zog. Am Bei­spiel der Ar­beit von Mor Çatı wer­den un­ter­schied­li­che fe­mi­nis­ti­sche Dis­kur­se im Bezug auf ak­tu­el­le Er­eig­nis­sen dar­ge­stellt. Der Vor­trag soll die Grund­la­ge für eine ge­mein­sa­me Dis­kus­si­on bil­den. An­ge­schnit­ten wird dabei auch die De­bat­te zwi­schen fe­mi­nis­ti­schen Or­ga­ni­sa­tio­nen in der Tür­kei, die Frau­en vor­be­hal­ten sind, und der LGBT (Les­bi­an/Gay/Bi­se­xu­al/Trans) Be­we­gung.

Fatma Umul wurde in ihrem Prak­ti­kum bei Mor Çatı mit dem Fe­mi­nis­mus der 1970er Jahre in Deutsch­land kon­fron­tiert und fragt sich nun, ob es nicht bes­ser wäre, wenn der Fe­mi­nis­mus davon ab­sä­he, sein Sub­jekt ›Frau‹ voll­kom­men zu de­kon­stru­ie­ren.

Ort: Bal­tha­sar, Bal­tha­s­ar­gäss­chen 1 (zwi­schen Schran­ne und Kaul­berg)
Be­ginn: 20:00
Ein­tritt: frei