fub presents: Do&Fr 18./19. Dezember 2014. Ein fub-doppelspezial: Chris Wilpert²/Frankt Apunkt Schneider. Wundkanal&Bug Report

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Donnerstag, 18.12.2014

CHRIS W. WILPERT:

»Wundkanal« und »Notre Nazi«: Die Nachgeschichte der Shoah in der Bundesrepublik in den Filmen Thomas Harlans

In Thomas Harlans Film »Wundkanal« spielt der verurteilte Massenmörder Alfred Filbert sich selbst: einen Massenmörder, der von unbenannten und unsichtbar bleibenden Terrorist_innen (offensichtlich Erb_innen von Baader und Meinhof) entführt wird. Die Kamera kreist um den Protagonisten, der schließlich sich selbst verhört. Nicht umsonst geriet »Wundkanal« – gemeinsam mit dem »Gegenfilm« »Notre Nazi«, der die Dreharbeiten zu »Wundkanal« dokumentiert – sowohl bei der Aufführung auf den Filmfestspielen von Venedig 1984 als auch auf der Berlinale 1985 zum Eklat. Jenseits der problematischen Parallelisierung von Auschwitz und Stammheim zeigen beide Filme Wunden der bundesrepublikanischen Erinnerungskultur und -politik auf: die Kontinuität der Herrschaft von NS-Täter_innen in der BRD und ihre weitgehende Straffreiheit. Zudem lassen sie sich heute nicht nur als historische Dokumente bzw. bloße Artefakte betrachten, weil sie auf Lücken in der Vergangenheitsaufarbeitung hinweisen und mittels der Kunst einen anderen Umgang mit Geschichte anbieten.

 

Chris W. Wilpert lebt, wohnt, arbeitet, studiert, liest, schlürft gerne Latte Macchiato mit Sojamilch, promoviert über das »Erzählen von Geschichte in Thomas Harlans Prosa« und ist Mitherausgeber*in der testcard. Zuletzt hat er in der freien uni bamberg über die Rezeption von Walter Benjamin gesprochen.

Ort: Balthasar, Balthasargäßchen 1

(zwischen Schranne und Kaulberg)

Beginn: 20:00

Eintritt: frei

 

Freitag, 19.12.2014

CHRIS W. WILPERT/

FRANK APUNKT SCHNEIDER:

Bug Report. Digital war besser!

Vorstellung der testcard #24

Nach dem hundertsten Leitartikel über das Verschwinden des Privaten und dem x-ten Profilbild, das durch das Gesicht von Edward Snowden ersetzt wurde, macht nun auch noch die testcard eine Ausgabe über Digitalisierung, Computer, Netze und das alles?! Wo uns die FAZ doch beinahe täglich Artikel bringt, die früher nur per Mailingliste in einem handverlesenen Kreis netzaffiner Theorieproduzent_innen zirkuliert wären. Wozu also gerade jetzt eine testcard zum Thema, auf Papier und gemacht von alten Männern, die sich noch immer jener Pop-Industrie verbunden fühlen, der die Digitalisierung doch endlich den verdienten Garaus gemacht hat? Aber was ist im Netz eigentlich Basis, was der Überbau, und wie verhalten sie sich zueinander? Sinnvoll über Digitalisierung zu sprechen, fällt nicht zuletzt deshalb so schwer, weil Technologie nie ohne jene polit-ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen zu verstehen ist, die sie reproduziert. Ob und unter welchen Bedingungen ein anderes Onlinesein möglich wäre, wissen die testcard-Redakteur_innen Chris W. Wilpert und Frank Apunkt Schneider auch nicht so recht, was sie aber nicht davon abhält, in entspannter vorweihnachtlicher Atmosphäre durch die aktuelle Ausgabe zu führen und dazu Plätzchen, Ton- und Bildbeispiele sowie handverlesene Nebenwidersprüche zu reichen.

 

testcard ist vielleicht nicht die beste, dafür aber die einzige deutsche Anthologie zu Popgeschichte und Poptheorie und erscheint seit 1995 im Ventil Verlag.

Ort: Balthasar, Balthasargäßchen 1

(zwischen Schranne und Kaulberg)

Beginn: 20:00

Eintritt: frei

fub presents: Do. 11. Dezember 2014. Lara Schultz. Vom Maidan zum Donbass

Was haben der Westen, Aliens, die EU, Putin, die USA, Dinosaurier und Faschist_innen gemeinsam? Unterschiedlichen Theorien zufolge sind sie alle gerade eifrig dabei, einen Keil in die ukrainische Gesellschaft zu treiben. Dabei wird gerne übersehen, dass die Bevölkerung sich längst an der Frage gespalten hat, ob die Ukraine jetzt eigentlich Opfer des Stalinismus oder Sieger über den deutschen Faschismus ist bzw. ob der »Unabhängigkeitskämpfer« Stepan Bandera als Volksheld oder als Nazikollaborateur zu gelten hat. Der eklatante Mangel an Informationen darüber, wer seit Januar 2014 für verschiedene Kampfhandlungen nebst Todesschüssen verantwortlich ist, führt zu verschwurbelten Verschwörungstheorien, bringt aber auch Menschen mit ansonsten seriösen Forschungsansätzen zu kruden Ansichten und absurden Aussagen. Die Auseinandersetzungen im Osten der Ukraine werden von einem Kampf um Meinungs- und Deutungshoheit flankiert, u. a. darüber, wer der Nazi ist. Der Vortrag wird Schlaglichter auf die ukrainische Geschichte werfen und näher auf die Maidan-Proteste eingehen. Dabei wird sich wenig überraschend zeigen: Nur der Nazi ist der Nazi! Aber wer sich nicht von ihm distanziert, muss dafür kritisiert werden.

Lara Schultz beschäftigt sich als Journalistin mit der extremen Rechten, mit Rassismus, Antiziganismus und Antisemitismus in Mittel- und Osteuropa und schreibt darüber z. B. für blick nach rechts, publikative.org und die Jungle World. Wo es die Recherche erfordert, beschäftigt sie sich mit Dinos und Aliens, schreibt aber lieber nicht darüber.

Ort: Balthasar, Balthasargäßchen 1

(zwischen Schranne und Kaulberg)

Beginn: 20:00

Eintritt: frei

fub presents: Ein fub-Doppelspezial. Do & Fr 4.&5. Dezember 2014. Matthias Schneider & Benjamin Bauer. Männlichkeit & Antirassimus

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Donnerstag, 04.12.2014

MATTHIAS SCHNEIDER:

Justin Bieber vs. Tyler Durden

Über die gesellschaftliche Konstruktion von Männlichkeit

Tyler Durden (»Fight Club«) und Justin Bieber sind zwei Charaktere, die nicht gegensätzlicher sein könnten. Während Durden einen längst vergangene Form der Männlichkeit im Film repräsentiert, wird Bieber als femininer Weichling mit Mikro-Penis und Vaterkomplex verspottet. Auf Grundlage dieser Archetypen wird der Versuch unternommen, hegemoniale Männlichkeitsvorstellungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts herauszuarbeiten. Dabei wird aus feministischer Perspektive argumentiert, dass diese stark vom historischen Kontext abhängig und variabel sind. Darauf aufbauend werden die Reaktionen auf Biebers und Durdens Männlichkeitsdarstellungen im Rahmen von gesellschaftlichen Entwicklungen erklärt.

Matthias Schneider ist konformistischer Studierender der Soziologie in Bamberg. Den Leerstellen seines Studiums ausgesetzt radikalisierte er sich in feministischen Keimzellen in Kopenhagen und New York. Wieder zurück versucht er, seinen intellektuellen Terrorismus durch leicht zugängliche Themen zu vertuschen.

Ort: Balthasar, Balthasargäßchen 1

(zwischen Schranne und Kaulberg)

Beginn: 20:00

Eintritt: frei

Freitag, 05.12.2014

BENJAMIN BAUER:

Kulturanthropologie:

Die Geburt des wissenschaftlichen Antirassismus

Im frühen 20. Jahrhundert hat eine Gruppe lose verbundener Wissenschaftler_innen in den USA, an deren Spitze Franz Boas stand, erste Ergebnisse gegen die Dominanz rassistischer Erklärungen menschlicher Diversität geliefert. Anhand von Schädelmessungen konnten sie nachweisen, dass die Umwelt (Milieu, Klima), also die Kultur, den Menschen viel stärker determiniert als seine Biologie. Gleichzeitig engagierten sich viele der Forscher_innen für die Aufhebung diskriminierender Gesetze und die Gleichbehandlung »rassischer« Minderheiten. Sie etablierten die Kulturanthropologie als antirassistische Wissenschaft, deren Erfolge in den 1950er Jahren zur globalen Diskreditierung biologistischer Vorstellungen über menschliche Vielfalt führten und sich heute noch in gängigen antirassistischen Vorstellungen äußeren. Allerdings waren die »Hebammen« dieser Disziplin selbst Rassenwissenschaftler_innen und nahmen Grundlagen der Rassentheorie in ihre antirassistische Disziplin mit auf. Der Vortrag beleuchtet das Wechselspiel zwischen Rassismus und Kulturalismus bei der Herausbildung der Kulturanthropologie, um die Entstehung und die Probleme des gegenwärtigen Antirassismus zu erhellen.

Benjamin Bauer hat Geschichte, Germanistik und Philosophie studiert. Zurzeit arbeitet er. Zuletzt hat er in der freien uni bamberg über die historische Eugenik und ihre Kritiker_innen gesprochen.

Ort: Balthasar, Balthasargäßchen 1

(zwischen Schranne und Kaulberg)

Beginn: 20:00

Eintritt: frei