Donnerstag, 03.05.2018: SIMON DUDEK: »Heimat« in Zeiten der Krise

Die meisten Millenials kamen biographisch zweimal mit dem Begriff »Heimat« in Berührung. In der Kindheit waren es die Großeltern ostpreußischer, schlesischer oder sudetendeutscher Abstammung, die ihrer verlorenen Heimat hinterher trauerten. In ihrer Gegenwart wiederum bezieht sich eine diffuse Mischung aus Spiegel-Redakteur_innen, nationalistischen Mörderbanden, Identitären und Cem Özdemir ganz selbstverständlich und positiv auf sie. Im langen Marsch durch die Institutionen ist die Steinbachisierung der Gesellschaft mittlerweile auf der ministeriellen Ebene angekommen. Auf das bayerische folgt das bundesrepublikanische Heimatministerium. Spätestens an dieser Stelle stellt sich die Frage, warum ein derart schwammiger Begriff eine solche Konjunktur erlebt. Der Vortrag möchte, ausgehend von der Diagnose einer multiplen Krise (seit 2007), seinem ideologischen Gehalt auf den Grund gehen.

Simon Dudek ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Geographie einer bayerischen Universität.

Donnerstag, 26.04.2018: HENNING FISCHER: Die überlebenden Frauen von Ravensbrück

Ende April 1945 wurde das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück bei Berlin von der Roten Armee befreit. Einige der Überlebenden, meist Kommunistinnen, die in der Weimarer Republik politisch sozialisiert worden waren, gründeten unmittelbar nach der Befreiung eine Lagergemeinschaft als sozialen und politischen Verband. Gegen viele Schwierigkeiten führten sie ihn in DDR sowie BRD und bis in die 2000er Jahre hinein fort. Sie verfolgten eigenständige politische Ziele und wurden damit zu Akteurinnen ihres eigenen Lebens und der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Diese Geschichte wird anhand eines Bilder-Vortrags vorgestellt werden.

Henning Fischer lebt in Berlin, hat dort u. a. Geschichtswissenschaften studiert und 2017 zum Thema »Überlebende als Akteurinnen« promoviert. Er ist außerdem Teil des AutorInnenkollektivs Loukanikos, das sich mit der Kritik der Geschichtspolitik beschäftigt.

Donnerstag, 19.04.2018: MATTHIAS ZWACK: Titoismus. Theorie und Praxis des Selbstverwaltungssozialismus in Jugoslawien

Das ehemalige Jugoslawien wird heute vor allem mit gutem Essen und schönen Stränden in Verbindung gebracht. Fast ein halbes Jahrhundert lang stand das Land jedoch für einen Sozialismus der Weltoffenheit, der individuellen Freiheit und der echten sozialen, politischen sowie wirtschaftlichen Teilhabe. Der jugoslawische Weg beruhte auf einem historischen Bruch mit der Sowjetunion. Er war jedoch alles andere als widerspruchsfrei. Dem emanzipatorischen Anspruch stand die Herrschaft einer Einheitspartei gegenüber. Der Vortrag möchte dieses Kapitel der realsozialistischen Geschichte beleuchten. Im Zentrum steht dabei das Verhältnis autoritärer und antiautoritärer Tendenzen, die nebeneinander bestanden und sich gegenseitig ergänzten. War der Autoritarismus Relikt des Stalinismus oder brachte das Selbstverwaltungssystem seinen eigenen, spezifischen Autoritarismus hervor? Und welchen Anteil hatte all das am jugoslawischen Zerfall und den sich anschließenden Bürgerkriegen? Die Fragen, die das jugoslawische Modell aufwirft, sind für die emanzipatorische Theorie und Praxis der Gegenwart noch immer relevant.

Matthias Zwack ist Historiker, lebt in München und wühlt im Trümmerhaufen der Vergangenheit auf der Suche nach einer besseren Zukunft.