Donnerstag, 29.11.2018: ROBERT SOMMER: »Sex-Zwangsarbeit« – Bordelle in NS-Konzentrationslagern

1941 befahl Heinrich Himmler, Reichsführer-SS und Oberbefehlshaber über die NS-Konzentrationslager, die Errichtung von Bordellen für KZ-Häftlinge. Die Konzentrationslager waren nicht nur Orte des Terrors und des Massenmordes, sondern ebenso Stätten der Zwangsarbeit. Die SS hatte ein gewaltiges Wirtschaftsimperium aufgebaut. Zwangsarbeit war das Rückgrat dieser Wirtschaft. Allerdings fiel die Produktivität angesichts der katastrophalen Lebensbedingungen und der permanenten Gewalt gering aus. Himmler wollte daher Anreize für die Häftlinge schaffen und ließ Lagerbordelle errichten. Bis zum Ende des Krieges eröffnete die SS in insgesamt zehn KZs Bordelle: in Mauthausen, Gusen, Flossenbürg, Auschwitz-Stammlager, Buchenwald, Auschwitz-Monowitz, Dachau, Neuengamme, Sachsenhausen und Mittelbau-Dora.

Dr. Robert Sommer hat 10 Jahre lang das Thema »Sex-Zwangsarbeit« umfangreich untersucht, in allen relevanten Archiven recherchiert sowie Interviews mit Überlebenden führen können. Er ist freier Mitarbeiter der KZ-Gedenkstätten Ravensbrück und Sachsenhausen. Derzeit arbeitet er als Ausstellungsmacher und freier Autor.

Donnerstag, 22.11.2018: JENS OHLIG: Dateneigentum, Urheberrecht und Wissensallmende: Meine Daten gehören mir?

Politik braucht Metaphern. Dass Daten »das neue Öl« sein sollen, hat in der Digitalpolitik die »Datenautobahn« der 1990er abgelöst. Daten sind wertvoller Rohstoff, der in einen Verwertungszusammenhang gebracht werden muss. Selbstfahrende Autos, smarte Heizungen oder Plattformen für soziale Medien – alle sammeln Daten, die sich irgendwie verwerten lassen müssen und die doch auch irgendwem gehören sollen. Aber was ist mit den nicht-personenbezogenen Daten, die dem ständig wachsenden Strom an Messpunkten entstammen, mit dem die Welt gerade neu entdeckt und verstanden wird? Sie unterliegen nicht dem Datenschutz und stellen damit einen Präzedenzfall dar, an dem Urheberrecht, immaterielle Güter und der Anspruch auf freies Wissen für alle neu verhandelt werden können. Vielleicht lautet die Antwort auf die Frage, wem Daten gehören: Uns allen. Und vielleicht sind sie ja gar kein Öl, sondern »das neue Grundwasser«, das alle gemeinsam nutzen.

Jens Ohlig lebt im Internet und Berlin. Beruflich (bei Wikimedia Deutschland) und privat beschäftigt er sich mit Daten und Freiem Wissen. Er hofft darauf, dass am Ende doch noch alles gut wird.

 

 

Donnerstag, 15.11.2018: Eike Sanders: Die „Lebensschutz“-Bewegung.

Die »Lebensschutz«-Bewegung ist endlich wieder im öffentlichen Problembewusstsein angekommen: Die Verurteilung einer Ärztin wegen Verstoß gegen den §219a (»Werbeverbot«) und die offizielle Feststellung, dass die Zahl der Ärzt*innen, die Abtreibungen anbieten, um 40% gesunken ist, zeigen wie faul der gesellschaftliche Kompromiss um das Abtreibungsgesetz schon immer war. Die »Lebensschutz«-Bewegung möchte allerdings nicht nur die Zugänge zu Schwangerschaftsabbrüchen erschweren. Sie führt auch einen Kulturkampf zur Retraditionalisierung der Geschlechter- und Familienverhältnisse, um christliche Moral und das ärztliche Gewissen. Damit ist sie Teil eines konservativen bis extrem rechten, in Teilen antidemokratischen Aufschwungs. In Kulturkampf und Gewissen. Medizinethische Strategien der ›Lebensschutz‹-Bewegung (Verbrecher Verlag 2018) analysieren Eike Sanders, Kirsten Achtelik und Ulli Jentsch die »Lebensschutz«-Bewegung, ihre Stärken, ihre Schwächen und ihre internen Widersprüche und sie liefern das Material für eine kritische Auseinandersetzung mit den »Lebensschützern« – als Grundlage für den nötigen Widerstand.

Eike Sanders arbeitet am Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin apabiz e.V zum Thema extreme Rechte und Gender mit den Schwerpunkten »Lebensschutz«-Bewegung, Antifeminismus und Rechtsterrorismus. Sie ist außerdem Mitglied im Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus. Zuletzt hat sie in der freien uni zur Rolle von Frauen im NSU-Netzwerk gesprochen.

Donnerstag, 08.11.2018: NOEMI GÖLTENBOTH: Regretting Motherhood und Postmaternal Thinking – Lässt sich Elternschaft feministisch denken?

Angesichts der zunehmenden Vereinnahmung von »Familienthemen« durch konservative Gruppen scheint eine feministische Auseinandersetzung mit Elternschaft aktueller denn je. Regretting Motherhood erlebt seit ein paar Jahren einen Boom in den sozialen Netzwerken und Sozialwissenschaften. Der Begriff geht zurück auf die Soziologin Orna Donath, die Frauen befragt hat, die es bereuen, Mutter geworden zu sein. Was viele schockiert: Sie bereuen ihr Muttersein nicht primär aufgrund äußerer Umstände und sozio-ökonomischer Schwierigkeiten, sondern an und für sich. Die australische Soziologin Julie Stephens wiederum beschreibt unter dem Schlagwort »Postmaternal Thinking« die kulturelle Angst, sich öffentlich mit Mutterschaft auseinanderzusetzen. Sie ist symptomatisch für das neoliberale Denken. Elternschaft erfordert von denen, die sie ausüben, viel Zeit und Energie für Arbeit, die gesellschaftlich nur wenig Anerkennung findet, da sie keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen abwirft. Beide Ansätze greifen wichtige Aspekte von Elternschaft bzw. Muttersein auf und werden im Vortrag diskutiert.

Noemi Göltenboth studiert in Bamberg Psychologie, interessiert sich für feministische Theorie und ist im Gleichstellungsreferat tätig.