fub presents: Donnerstag 23. Januar. FRANK SCHELLENBERG: Universalismus und Partikularismus im (Ge)denken an die Schoa

Eine Frage, an der sich viele Debatten über die Deutung der nationalsozialistischen Massenvernichtung der europäischen Juden entzünden, betrifft die Gewichtung der universalistischen und der partikularistischen Perspektive. Selbige, antagonistisch anmutenden Deutungsmuster schlagen sich bereits in den unterschiedlichen Begriffen nieder und spielen eine entscheidende Rolle für Fragen der Repräsentation und des Gedenkens sowie möglicher Implikationen und ›Lehren‹. Dass sich die beiden Perspektiven jedoch keineswegs ausschließen, dass sie vielmehr zusammengedacht werden müssen, zeigte bereits Adorno und wird auch heute kaum ernsthaft bestritten. Dennoch gibt es in den Diskursen der verschiedenen Gruppen, Länder und Regionen klare Unterschiede in der Gewichtung.
Im Vortrag sollen zunächst die beiden Deutungsmuster und ihre Implikationen einführend dargestellt werden. Anschließend soll kurz auf die Bedeutung der Gedächtnisikone Auschwitz für die Herausbildung einer deutschen und israelischen wie auch einer europäischen oder westlichen Identität eingegangen werden. Am Ende soll die Frage stehen, inwieweit die partikularistische Perspektive und die Elemente kollektiver Gedächtnisse den Anschluss außereuropäischer Gesellschaften an diese Erinnerungskultur behindern und andererseits inwieweit der Universalisierung des Gedenkens bereits die Gefahr seiner Aushöhlung und der Relativierung des Verbrechens immanent ist.

Frank Schellenberg hat in Bamberg studiert und in der freien uni zuletzt über essentialistische Religionskritik und über die arabische Perzeption des Nationalsozialismus gesprochen.

fub presents: Zwei „Raum“ füllende Abende (haha). Mi 15. und Do 16. Januar. Günzel und Dudek

Mitt­woch, 15.​01.
STE­PHAN GÜN­ZEL:
Hei­mat? – Raum!

Aus­ge­hend von der Frage nach dem ak­tu­el­len In­ter­es­se für den As­pekt Raum in den ver­schie­dens­ten Ge­bie­ten der Kul­tur und Wis­sens­pro­duk­ti­on geht der Vor­trag auf die An­fän­ge des so­ge­nann­ten Spa­ti­al Turn ein und be­leuch­tet im Nä­he­ren kri­tisch die orts­be­zo­ge­nen Kon­zep­tio­nen einer Phi­lo­so­phie der Hei­mat, die sich zu­meist gegen die Ka­te­go­rie des Rau­mes aus­spre­chen.

Dr. Ste­phan Gün­zel ist Pro­fes­sor für Me­dien­theo­rie an der Ber­li­ner Tech­ni­schen Kunst­hoch­schu­le (btk) und Gast­do­zent für Phi­lo­so­phie an der Uni­ver­si­tät Kla­gen­furt; bis 2011 war er Ko­or­di­na­tor des Zen­trums für Com­pu­ter­spiel­for­schung an der Uni­ver­si­tät Pots­dam. Neu­es­te Er­schei­nun­gen sind u. a.: Egoshoo­ter. Das Raum­bild des Com­pu­ter­spiels (2012) und Raum/Bild. Zur Logik des Me­dia­len (2012). Zu­letzt hat Ste­phan Gün­zel in der frei­en uni über das Thema »Post­struk­tu­ra­lis­mus und Kri­ti­sche Theo­rie« ge­spro­chen.

Ort: Bal­tha­sar, Bal­tha­s­ar­gäss­chen 1 (zwi­schen Schran­ne und Kaul­berg)
Be­ginn: 20:00
Ein­tritt: frei

Don­ners­tag, 16.​01.
SIMON DUDEK:
Ever­y­thing you al­ways wan­ted to know about space & place but were af­raid to ask … Raumideo­lo­gi­en im 20. Jahr­hun­dert
Der Be­griff des Raums ist ein wie­der­keh­ren­des Motiv in allen denk­ba­ren aka­de­mi­schen Dis­zi­pli­nen. Die ent­spre­chen­den Raum­kon­zep­te un­ter­lie­gen indes einem ste­ti­gen Wan­del. Vom »Volk ohne Raum« bis zu Sa­mu­el Hun­ting­tons »Kul­tur­krei­sen« ist es die Wis­sen­schaft, die als Ideo­lo­gie­lie­fe­rant für die Raum­vor­stel­lun­gen in Ge­sell­schaft und Po­li­tik fun­giert. Gleich­zei­tig ent­wi­ckeln sich auch ab­seits des wis­sen­schaft­li­chen Fel­des Raum­se­man­ti­ken, die his­to­risch von »Him­mel und Hölle« über die Raum­de­ckung im mo­der­nen Fuß­ball bis zur Rede von den »fau­len Süd­län­dern« in der ak­tu­el­len Wäh­rungs­kri­se rei­chen. Doch wel­cher Raum ist je­weils ge­meint? Wel­che At­tri­bu­te wer­den ihm zu­ge­schrie­ben? Und wann hört die Dis­kus­si­on um den Raum auf, un­ter­kom­plex zu sein?
Der Vor­trag bie­tet einen Über­blick über die gro­ßen Pa­ra­dig­men­wech­sel der Raum­kon­zep­te und zeigt an­hand il­lus­trer Bei­spie­le die Ge­fahr wis­sen­schaft­li­cher Be­griffs­de­fi­ni­tio­nen auf.

Simon Dudek hat zum Zeit­punkt des Vor­trags (hof­fent­lich) sei­nen Uni­ver­si­täts­ab­schluss. In der frei­en uni hat er zu­letzt über po­li­ti­sche Phi­lo­so­phie in der Fern­seh­se­rie South Park ge­spro­chen.

Ort: Bal­tha­sar, Bal­tha­s­ar­gäss­chen 1 (zwi­schen Schran­ne und Kaul­berg)
Be­ginn: 20:00
Ein­tritt: frei

fub presents: Don­ners­tag, 09.​01. ELMAR RIE­GER: Über China. An­mer­kun­gen der So­zio­lo­gie

Wel­che Ge­sichts­punk­te hat die So­zio­lo­gie, um den Auf­stieg Chi­nas in der Welt­wirt­schaft, der Welt­po­li­tik und der Welt­ge­sell­schaft ver­ständ­lich zu ma­chen? Wel­che Leis­tungs­fä­hig­keit hat die Kom­pa­ra­ti­ve Ma­kro­so­zio­lo­gie, wenn es um ein tie­fe­res Ver­ständ­nis der be­son­de­ren ge­sell­schafts­po­li­ti­schen Kon­stel­la­ti­on des post­re­vo­lu­tio­nä­ren Chi­nas geht: die au­ßen­wirt­schaft­li­che Öff­nung und die Ein­füh­rung von Markt­wirt­schaft und Ka­pi­ta­lis­mus unter den po­li­ti­schen Be­din­gun­gen eines Herr­schafts­mo­no­pols der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei?

Elmar Rie­ger ist Pro­fes­sor für So­zio­lo­gie an der Ot­to-​Fried­rich-​Uni­ver­si­tät Bam­berg. Zu­letzt hat Elmar Rie­ger in der frei­en uni über das Thema »Bil­dungs­be­griff und Bil­dungs­po­li­tik. Ein­las­sun­gen zur Hoch­schul­po­li­tik« ge­spro­chen.

Ort: Bal­tha­sar, Bal­tha­s­ar­gäss­chen 1 (zwi­schen Schran­ne und Kaul­berg)
Be­ginn: 20:00
Ein­tritt: frei

fub presents: Donnerstag 19. Dezember 2013. CHRIS WIL­PERT UND FRANK APUNKT SCHNEI­DER: »Tran­szen­denz – Aus­weg, Flucht­weg, Holz­weg?« Vor­stel­lung der test­card #23

»Die zwei­te Hälf­te des Him­mels könnt ihr haben / Doch das Hier und das Jetzt, das be­halt’ ich«, san­gen die Fehl­far­ben 1980. Pop gilt als das In­ner­welt­lichs­te und Im­ma­nen­tes­te über­haupt. Trotz­dem gab es dort immer schon Jen­seits-​Be­zü­ge und -​Dis­kur­se: Die Selbst­wahr­neh­mung bzw. -​ver­mark­tung ein­zel­ner Ak­teur_in­nen als »In­stru­ment Got­tes« oder als »Pop­göt­t_in­nen«; der »Ever­green« und das »Un­sterb­lich­wer­den« usw. Ex­pli­zi­te Tran­szen­denz-​Be­we­gun­gen im Free Jazz, im Afro­fu­tu­ris­mus oder in der »Welt­mu­sik« wurde bis­wei­len vom be­we­gungs­lin­ken Lager kri­ti­siert. Er­fah­run­gen von All­tags-​Tran­szen­denz (»Ab­fah­ren«, »Aus­klin­ken«, »Weg­drif­ten«) durch Pop er­schie­nen ihm un­ver­ein­bar mit auf­klä­re­ri­schem Sä­ku­la­ris­mus und in der Wir­kung kon­ter­re­vo­lu­tio­när. test­card #23 wid­met sich dem Pro­blem und der Mög­lich­keit der Tran­szen­denz durch Pop und un­ter­sucht den hei­li­gen Ernst im Pop mit un­hei­li­ger Neu­gier. Die Re­dak­teur_in­nen Chris Wil­pert und Frank Apunkt Schnei­der wer­den in ent­spann­ter vor­weih­nacht­li­cher At­mo­sphä­re (feat. Plätz­chen und Hör­bei­spie­len) durch die ak­tu­el­le Aus­ga­be füh­ren …

test­card ist eine An­tho­lo­gie zu Pop­ge­schich­te und Po­p­theo­rie und er­scheint seit 1995 im Ven­til Ver­lag.

Ort: Bal­tha­sar, Bal­tha­s­ar­gäss­chen 1 (zwi­schen Schran­ne und Kaul­berg)
Be­ginn: 20:00
Ein­tritt: frei

fub presents: Donnerstag 12. Dezember. JUS­TIN MON­DAY: Wie neo­li­be­ral war der Neo­li­be­ra­lis­mus?


Vor dem Herbst 2008 glaub­ten weite Teile der Lin­ken, sie hät­ten es mit einem ent­staat­lich­ten, neo­li­be­ra­len »Tur­bo­ka­pi­ta­lis­mus« zu tun. Für kurze Ir­ri­ta­ti­on sorg­te dann die An­ti-​Kri­sen­po­li­tik. War das noch neo­li­be­ral? Die­ser Ir­ri­ta­ti­on konn­te noch ein­mal mit der Be­haup­tung be­geg­net wer­den, der Neo­li­be­ra­lis­mus sei eben das au­to­ri­tä­re Pro­jekt he­ge­mo­nia­ler Staa­ten. Das käme der his­to­ri­schen Wahr­heit näher als die lange Zeit do­mi­nan­te Vor­stel­lung sei­ner Staats­fer­ne, würde nicht zu­gleich dar­auf be­harrt, der Be­griff ›neo­li­be­ral‹ könne die ge­sell­schaft­li­chen oder auch nur die po­lit­öko­no­mi­schen Ver­hält­nis­se seit den 1980er-​Jah­ren in allen we­sent­li­chen As­pek­ten er­fas­sen. Da­ge­gen soll an­hand der Ent­ste­hung der neo­li­be­ra­len Theo­rie in Re­ak­ti­on auf die Welt­wirt­schafts­kri­se 1929 und von deren Re­la­ti­on zur Wirt­schafts­po­li­tik des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus deut­lich ge­macht wer­den, dass seine we­sent­li­chen Merk­ma­le aus an­ti­li­be­ra­len Quel­len stam­men, die in der ak­tu­el­len Krise wie­der prä­sent sind.

Jus­tIn Mon­day ver­öf­fent­licht zum Thema u. a. in kon­kret, Exit!, Pha­se2 und Jung­le World.

Ort: Bal­tha­sar, Bal­tha­s­ar­gäss­chen 1 (zwi­schen Schran­ne und Kaul­berg)
Be­ginn: 20:00
Ein­tritt: frei

fub presents: Don­ners­tag, 05. Dezember. Benjamin Bauer: Die Er­zäh­lung vom »ent­ar­te­ten Volk«. Die his­to­ri­sche Eu­ge­nik und ihre Kri­ti­ker_in­nen

»Die größ­te Ge­fahr für ein Volk ist die Ent­ar­tung, d. h. die Ver­ar­mung an wert­vol­len Erb­an­la­gen. Ent­ar­tung tritt ein, wenn die tüch­ti­gen Volks­ge­nos­sen we­ni­ger Kin­der haben als die min­der tüch­ti­gen«. (Leit­sät­ze der Ge­sell­schaft für Ras­sen­hy­gie­ne, 1931/32)
Zwar wur­den die ras­sis­ti­schen und an­ti­se­mi­ti­schen Denk­mus­ter in Thilo Sar­ra­zins Deutsch­land schafft sich ab (2010) öf­fent­lich skan­da­li­siert. Im Bezug auf Sar­ra­zins eu­ge­ni­sche Wert- und Po­li­tik­vor­stel­lun­gen wurde je­doch kaum Kri­tik ge­äu­ßert, ob­wohl es seit dem »Hu­man­ge­nom­pro­jekt« und der Auf­schlüs­se­lung des »mensch­li­chen Bau­kas­tens« durch­aus eine wis­sen­schaft­lich-​phi­lo­so­phi­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit Eu­ge­nik gibt.
Der Man­gel an Kri­ti­ker_in­nen ist nichts Neues. Selbst wäh­rend der Phase der his­to­ri­schen Eu­ge­nik­be­we­gung (ca. 1900-​1933) waren sie sel­te­ne Aus­nah­men und auch in der For­schung wer­den sie nur am Rande be­han­delt. Eu­ge­ni­sche Po­li­tik fand in der Wei­ma­rer Re­pu­blik vor allem wäh­rend der Welt­wirt­schafts­kri­se Un­ter­stüt­zung, ob­wohl die Eu­ge­nik in­ter­na­tio­nal in den spä­ten zwan­zi­ger Jah­ren in eine Krise ge­riet. Der Vor­trag wid­met sich den Ar­gu­men­ten sowie der so­zia­len Stel­lung ei­ni­ger Kri­ti­ker_in­nen und geht der Frage nach, wes­halb die Kri­tik der Eu­ge­nik in Deutsch­land so lange mar­gi­na­li­siert war.

Ben­ja­min Bauer stu­dier­te Ge­schich­te, Ger­ma­nis­tik und Phi­lo­so­phie in Bam­berg und ar­bei­tet in der Of­fe­nen Be­hin­der­ten­ar­beit.

Ort: Bal­tha­sar, Bal­tha­s­ar­gäss­chen 1 (zwi­schen Schran­ne und Kaul­berg)
Be­ginn: 20:00
Ein­tritt: frei

fub presents: Donnerstag 28. November 2013. RO­BERT ZWARG: »Dem Markt ent­geht keine Theo­rie mehr« – Kri­ti­sche Theo­rie zwi­schen Wis­sen­schafts­kri­tik und Aka­de­mi­sie­rung


Die Kri­ti­sche Theo­rie ist ohne Zwei­fel im Wis­sen­schafts-​ und Kul­tur­be­trieb an­ge­kom­men. Viel­fach über­setzt und in zahl­lo­sen Va­ri­an­ten wie­der­ver­öf­fent­licht, fi­nan­zie­ren die Schrif­ten Theo­dor W. Ador­nos und Wal­ter Ben­ja­mins aus der Back­list des Suhr­kamp Ver­la­ges eine Gior­gio-​Agam­ben-​Aus­ga­be nach der an­de­ren. Ganze Bi­blio­the­ken lie­ßen sich mit der Se­kun­där­li­te­ra­tur zur Kri­ti­schen Theo­rie fül­len. Ein­füh­run­gen, Ex­ege­sen, Kri­ti­ken, Ver­glei­che und Hand­bü­cher tum­meln sich im Bü­cher­meer; in Ame­ri­ka sind unter dem Stich­wort »Cri­ti­cal Theo­ry« – er­wei­tert um die kon­ti­nen­ta­le Geis­tes­ge­schich­te von Kant bis Der­ri­da – sogar Ab­schlüs­se zu er­wer­ben. Moch­te es noch his­to­ri­scher Zu­fall ge­we­sen sein, dass Ador­no ein »Staats­feind auf dem Lehr­stuhl« (Wolf­gang Pohrt) sein konn­te, heute sind die Kri­ti­sche Theo­rie, eben­so wie der Mar­xis­mus, le­gi­ti­me Ti­ckets in den aka­de­mi­schen Be­trieb. Die Aka­de­mi­sie­rung einer nicht nur ra­di­kal kri­ti­schen – das heißt an die Wur­zeln der ge­sell­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se ge­hen­den –, son­dern de­zi­diert an­ti-​aka­de­mi­schen und wis­sen­schafts­kri­ti­schen Denk­tra­di­ti­on ist er­klä­rungs­be­dürf­tig. Um das Ver­hält­nis der Tra­di­ti­on Ador­nos, Hork­hei­mers et al. zum Wis­sen­schafts­be­trieb zu er­hel­len, folgt der Vor­trag der These, dass die Kri­ti­sche Theo­rie von einer ge­sell­schaft­li­chen Ent­wick­lung ein­ge­holt wurde, die sie selbst vor­aus­ge­se­hen hat und an der sie gleich­wohl teil­hat­te.

Ro­bert Zwarg lebt in Leip­zig und pro­mo­viert zur Re­zep­ti­on der Kri­ti­schen Theo­rie in Ame­ri­ka. Er ist Mit­glied der Re­dak­ti­on der Phase 2.

Ort: Bal­tha­sar, Bal­tha­s­ar­gäss­chen 1 (zwi­schen Schran­ne und Kaul­berg)
Be­ginn: 20:00
Ein­tritt: frei

fub presents: Donnerstag 21. November. Sonja M. Schultz. Der Na­tio­nal­so­zia­lis­mus im Film. Von Tri­umph des Wil­lens bis In­g­lou­rious Bas­terds. Buch­vor­stel­lung mit Bil­dern und Film­aus­schnit­ten

Das Kino war ein ent­schei­den­der Ort na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Selbst­dar­stel­lung, und der Film hat sich seit den fa­schis­ti­schen Pro­pa­gan­da-​Bil­dern un­ab­läs­sig mit dem Na­tio­nal­so­zia­lis­mus be­fasst: mit den Nazis und Hit­ler, mit dem Ho­lo­caust, dem Ver­nich­tungs­krieg, mit Wi­der­stand und Be­frei­ung. Wie­der und wie­der wird die Ver­gan­gen­heit, die sich nicht be­wäl­ti­gen lässt, in­sze­niert: in Spiel­fil­men, Sa­ti­ren, Do­ku­men­tar­fil­men, als Ho­lo­caust-​Dra­ma, Sci­ence Fic­tion oder Trash­film, im Kino, im Fern­se­hen und im In­ter­net.
Sonja M. Schultz zeigt Aus­schnit­te aus über 70 Jah­ren NS im Film: her­aus­ra­gen­de Werke, hart­nä­cki­ge Kli­schees, är­ger­li­cher Re­vi­sio­nis­mus.

Sonja M. Schultz ist Film­jour­na­lis­tin und Film­wis­sen­schaft­le­rin aus Ber­lin. Ihre In­ter­es­sens­schwer­punk­te sind Ge­schichts­bil­der, Do­ku­men­tar­fil­me und NS-​Pro­pa­gan­da­fil­me. Der Na­tio­nal­so­zia­lis­mus im Film (2012) ist ihre über­ar­bei­te­te Dis­ser­ta­ti­ons­schrift.

Ort: Bal­tha­sar, Bal­tha­s­ar­gäss­chen 1 (zwi­schen Schran­ne und Kaul­berg)
Be­ginn: 20:00
Ein­tritt: frei

fub presents: Donnerstag und Freitag den 14./15. November. Antifa und Western.

Don­ners­tag, 14.​11.
MIRJA KEL­LER UND JAN SCHLE­MER­MEY­ER:
An­ti­fa – Ge­schich­te und Or­ga­ni­sie­rung

In dem Buch An­ti­fa – Ge­schich­te und Or­ga­ni­sie­rung (Reihe www.​theorie.​org / Schmet­ter­ling Ver­lag), das die­ses Jahr be­reits in zwei­ter über­ar­bei­te­ter Auf­la­ge er­schie­nen ist, geben die Au­to­r_in­nen einen Über­blick über die Vor­läu­fer sowie Theo­ri­en und Prak­ti­ken der An­ti­fa-​Be­we­gung heute und der ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­te. Das Buch bie­tet die Mög­lich­keit, Er­kennt­nis­se über er­ar­bei­te­te und ver­wor­fe­ne Theo­ri­en sowie Er­fol­ge und Nie­der­la­gen der Pra­xis zu sam­meln, was ge­ra­de für die mo­der­ne, sich im ste­ti­gen Wan­del be­find­li­che An­ti­fa-​Be­we­gung von gro­ßer Be­deu­tung ist. Das Buch hilft so, Wis­sen um die ei­ge­ne Ge­schich­te zu er­lan­gen, damit das Rad nicht immer neu er­fun­den wer­den muss. In dem Vor­trag wer­den die Au­to­r_in­nen Kern­the­sen des Bu­ches vor- und zur Dis­kus­si­on stel­len.

Mirja Kel­ler und Jan Schle­mer­mey­er sind seit Jah­ren in der an­ti­fa­schis­ti­schen Lin­ken in Frank­furt a. M. aktiv. Mirja Kel­ler pro­mo­viert zur re­li­gi­ös-​zio­nis­ti­schen Kib­butz­be­we­gung in Eu­ro­pa und ar­bei­tet in der po­li­ti­schen Bil­dungs­ar­beit. Jan Schle­mer­mey­er pro­mo­viert zur Trans­for­ma­ti­on der Po­li­tik im Neo­li­be­ra­lis­mus. Au­ßer­dem ar­bei­tet er mit im In­sti­tut für ka­te­go­ria­le Ana­ly­se (In­ka­tan).

Ort: Bal­tha­sar, Bal­tha­s­ar­gäss­chen 1 (zwi­schen Schran­ne und Kaul­berg)
Be­ginn: 20:00
Ein­tritt: frei

Frei­tag, 15.​11.
NILS EBERT:
»Wa­gons West!« Zur My­tho­lo­gie des US-​ame­ri­ka­ni­schen Wes­tern­films

Der Wes­tern war bis in die 1970er Jahre hin­ein ein vi­ta­les Genre, seine An­fän­ge gehen mit der Ent­wick­lung des Me­di­ums Film ein­her. Viele Wes­tern­fil­me las­sen sich als Kom­men­ta­re auf ge­sell­schafts­po­li­ti­sche Fra­gen ihrer Ent­ste­hungs­zeit lesen, gel­ten in ihrer Ar­gu­men­ta­ti­on aber als ex­trem rechts­kon­ser­va­tiv, an­ti­fe­mi­nis­tisch, bis­wei­len gar ras­sis­tisch. Der Vor­trag wird ver­schie­de­ne, größ­ten­teils zwi­schen den 1930 und 1970er Jah­ren ent­stan­de­ne US-​ame­ri­ka­ni­sche Wes­tern­fil­me an­hand von Film­aus­schnit­ten vor­stel­len, ihre nar­ra­ti­ven Struk­tu­ren un­ter­su­chen, auf die von ihnen ver­mit­tel­ten Wert- und Rol­len­an­ge­bo­te ein­ge­hen und nach ihren ideo­lo­gi­schen In­hal­ten fra­gen. Die ihnen zu­grun­de­lie­gen­de My­tho­lo­gie soll dabei skiz­ziert wer­den. Zudem wird ein Sei­ten­blick auf ei­ni­ge Coun­try-​Mu­sic-​Stü­cke ge­wor­fen. Deren Aus­sa­gen über ame­ri­ka­ni­sche Iden­ti­tät wer­den her­aus­ge­ar­bei­tet und in Bezug zum Phä­no­men des Wes­tern­films ge­setzt.

Nils Ebert stu­diert Ger­ma­nis­tik und So­zio­lo­gie in Bam­berg und hat über die Coun­try-​Mu­sic zum Wes­tern­film ge­fun­den. Ge­le­gent­lich wünscht er sich, es wäre so ein­fach, wie es John­ny Gui­tar, Prot­ago­nist in Ni­cho­las Rays gleich­na­mi­gen Wes­tern­klas­si­ker (1954), sagt: »When you boil it all down what does a man re­al­ly need? Just a smoke and a cup of cof­fee.« Zu­letzt hat Nils Ebert in der frei­en uni über das Thema »Pro­pa­gan­da 2020 – Zur Ent­fal­tung dee­s­ka­la­ti­ver Po­ten­tia­le« ge­spro­chen.

Ort: Bal­tha­sar, Bal­tha­s­ar­gäss­chen 1 (zwi­schen Schran­ne und Kaul­berg)
Be­ginn: 20:00
Ein­tritt: frei

fub presents: Donnerstag und Freitag. 7./8.11. 2x fub. 2x Türkei. 2x Fatma Umul.

Don­ners­tag, 07.​11.
FATMA UMUL:
#diren­ge­zi! (Leis­te Wi­der­stand, Gezi!)
Der Auf­stand gegen Erdoğan: Oc­cu­py-​Be­we­gung oder ›tür­ki­scher Früh­ling‹?

»Wir sind die Mehr­heit, wir wur­den ge­wählt, wir sind de­mo­kra­tisch le­gi­ti­miert!« – Mit Pro­pa­gan­da­aus­sa­gen wie die­sen ver­such­te der tür­ki­sche Pre­mier Erdoğan, die Wi­der­stän­de gegen die Zer­stö­rung des Ge­zi-​Parks als un­recht­mä­ßig zu dis­kre­di­tie­ren. Seine neo-​os­ma­ni­sche Ein-​Mann-​Au­to­ri­tät ver­half ihm, Sol­da­t_in­nen in Po­li­zei­uni­for­men klei­den zu las­sen, Po­li­zeit­er­ror zu le­gi­ti­mie­ren und die Me­di­en zu zen­sie­ren. Das Er­geb­nis: fünf Tote und tau­sen­de Ver­letz­te! Der bru­ta­le Um­gang mit den auf­ge­brach­ten Bür­ger_in­nen zeig­te die engen Gren­zen des De­mo­kra­tie­ver­ständ­nis­ses Erdoğans auf. Die For­de­rung nach dem Er­halt der Bäume im Ge­zi-​Park trans­for­mier­te sich in­ner­halb we­ni­ger Stun­den zu einer Re­vol­te gegen die Herr­schen­den. Kurz nach der Be­set­zung hieß es in einer Rede: »Wir wer­den nicht er­lau­ben, dass die mensch­li­che Ar­beits­kraft, die Städ­te, die Wäl­der, das Was­ser, die Bil­dung […] zu­guns­ten von Pro­fit kei­nen Wert mehr haben«. Neben der Dar­stel­lung der Er­eig­nis­se und einem his­to­ri­schen Ab­riss dar­über, wie die Ge­zi-​Auf­stän­de in der Ge­schich­te der Tür­kei ein­zu­ord­nen sind, soll dar­über dis­ku­tiert wer­den, wel­che glo­ba­len Dis­kur­se mit der 15-​tä­gi­gen Be­set­zung des Ge­zi-​Parks an­ge­sto­ßen wur­den, die auch nach der Räu­mung des Parks in zahl­rei­chen Park-​Fo­ren Thema sind.

Fatma Umul hat 2013 ein Prak­ti­kum bei der un­ab­hän­gi­gen Frau­en­or­ga­ni­sa­ti­on Mor Çatı in İstan­bul ge­macht. Als die Auf­stän­de los­gin­gen, dach­te sie kurz, die Re­vo­lu­ti­on sei aus­ge­bro­chen. Zu­tiefst ent­täuscht über die Räu­mung der Ge­zi-​Kom­mu­ne will sie jetzt dar­über dis­ku­tie­ren.

Ort: Bal­tha­sar, Bal­tha­s­ar­gäss­chen 1 (zwi­schen Schran­ne und Kaul­berg)
Be­ginn: 20:00
Ein­tritt: frei

Frei­tag, 08.​11.
FATMA UMUL:
»AKP, nimm deine Hände von mei­nem Kör­per!«
Erdoğans Frau­en­po­li­tik

»Wenn wir eine star­ke Na­ti­on sein wol­len, dann brau­chen wir star­ke Fa­mi­li­en. Star­ke Fa­mi­li­en mit min­des­tens drei Kin­dern«. Mit Aus­sa­gen wie die­sen ver­sucht der tür­ki­sche Pre­mier Erdoğan seit den jüngs­ten Wah­len im Jahre 2011, ›die Frau‹ als Ob­jekt für seine neo­li­be­ra­le Wirt­schafts­po­li­tik zu in­stru­men­ta­li­sie­ren. Seine kon­ser­va­ti­ve Fa­mi­li­en­ideo­lo­gie gibt vor, Ge­walt in der Fa­mi­lie zu be­kämp­fen, ta­bui­siert diese aber, wenn sie sich gegen Frau­en rich­tet. Die im­pli­zi­ten Ein­schrän­kun­gen des Ab­trei­bungs­ge­set­zes waren der Trop­fen, der das Fass zum Über­lau­fen brach­te. Es wur­den ›Über­zeu­gungs­zim­mer‹ eta­bliert, in denen Frau­en von ei­gen­stän­di­gen Ent­schei­dung ab­ge­bracht wer­den sol­len. Bei Schwan­ger­schaft auf­grund einer Ver­ge­wal­ti­gung lau­tet die Lö­sung der Re­gie­rung: »Ihr könnt ge­bä­ren und wir er­zie­hen das Kind«. Die neuen Ge­set­ze las­sen ›die Frau‹ in der Ge­sell­schaft un­sicht­bar wer­den. Kri­tik und Ge­gen­wind er­fährt Erdoğan durch zahl­rei­che fe­mi­nis­ti­sche Or­ga­ni­sa­tio­nen wie Mor Çatı.
Der Vor­trag gibt einen Ein­blick in den his­to­ri­schen Ver­lauf der zwei­ten Welle der tür­ki­schen Frau­en­be­we­gung, die sich in den 1980ern voll­zog. Am Bei­spiel der Ar­beit von Mor Çatı wer­den un­ter­schied­li­che fe­mi­nis­ti­sche Dis­kur­se im Bezug auf ak­tu­el­le Er­eig­nis­sen dar­ge­stellt. Der Vor­trag soll die Grund­la­ge für eine ge­mein­sa­me Dis­kus­si­on bil­den. An­ge­schnit­ten wird dabei auch die De­bat­te zwi­schen fe­mi­nis­ti­schen Or­ga­ni­sa­tio­nen in der Tür­kei, die Frau­en vor­be­hal­ten sind, und der LGBT (Les­bi­an/Gay/Bi­se­xu­al/Trans) Be­we­gung.

Fatma Umul wurde in ihrem Prak­ti­kum bei Mor Çatı mit dem Fe­mi­nis­mus der 1970er Jahre in Deutsch­land kon­fron­tiert und fragt sich nun, ob es nicht bes­ser wäre, wenn der Fe­mi­nis­mus davon ab­sä­he, sein Sub­jekt ›Frau‹ voll­kom­men zu de­kon­stru­ie­ren.

Ort: Bal­tha­sar, Bal­tha­s­ar­gäss­chen 1 (zwi­schen Schran­ne und Kaul­berg)
Be­ginn: 20:00
Ein­tritt: frei