fub presents: Donnerstag, 24. Januar. Norbert Trenkle. Die Entwertung des Kapitalismus

Die öffentliche Debatte über die anhaltende Wirtschafts- und Finanzkrise zeichnet sich durch allgemeine Verwirrung aus: Der Volkszorn von links bis rechts macht wahlweise die »gierigen Banker« oder die »faulen Südländer« verantwortlich; die politische Klasse agiert wie ein Hobbyklempner, der hier und da ein paar Rohre flickt, während der Keller voll Wasser läuft; und die ehrlicheren Vertreter_innen der Volkswirtschaftslehre geben offen zu, dass ihre Disziplin vollkommen ratlos ist. Tatsächlich jedoch stellen sich die Ursachen der Krise, kritisch betrachtet, alles andere als rätselhaft dar. Das jahrzehntelange Aufblähen des Finanzüberbaus ist keinesfalls die Ursache der gegenwärtigen Kalamitäten, sondern stellte selbst wiederum den Versuch dar, eine fundamentale Strukturkrise aufzuschieben, die bereits in den 1970er Jahren ihren Ausgangspunkt hat. Der damals einsetzende Produktivkraftschub der dritten industriellen Revolution hat die Grundlagen der Kapitalverwertung unwiderruflich untergraben: die Vernutzung von lebendiger Arbeitskraft in der Produktion von Waren. Die Akkumulation von fiktivem Kapital an den Finanzmärkten verhalf dem kapitalistischen Weltsystem zwar noch einmal zu einem letzten großen Schub, doch der beruhte auf dem Ansaugen von zukünftigem Wert. Dieser Vorgriff auf die Zukunft stößt jetzt an seine Grenzen und es zeigt sich: Die Gesellschaft ist zu reich für den Kapitalismus.

Norbert Trenkle ist Mitglied der Gruppe Krisis und hat zusammen mit Ernst Lohoff das Buch »Die große Entwertung. Warum Spekulation und Staatsverschuldung nicht die Ursache der Krise sind« (Unrast Verlag 2012) geschrieben.
Ort: Balthasar, Balthasargässchen 1 (zwischen Schranne und Kaulberg)
Beginn: 20:00
Eintritt: frei

fub presens: Donnerstag, 17.01 VINCENT GENGNAGEL/ANDREAS KALLERT : »Kapitalfetisch«? Ideologiekritik zwischen empirischer Praxis und Werttheorie

Der Kapitalbegriff ist in den Sozialwissenschaften vornehmlich durch zwei Namen besetzt: Karl Marx und Pierre Bourdieu. Einem analytisch aus der Warenform abgeleiteten Kapitalbegriff bei Marx steht Bourdieus Kapitalbegriff gegenüber, denen es für viele Kenner_innen der Kritik der politischen Ökonomie an analytischer Schärfe mangelt und die Bourdieus Kapital-Konzeption daher (vorschnell) ein »anything goes« attestieren. Dass dieser vermeintliche Antagonismus zum einen oftmals auf einer verkürzten Bourdieu-Lektüre beruht und zum anderen aus emanzipatorischen Gründen nicht wünschenswert ist, soll Gegenstand unserer Ausführungen und der anschließenden Diskussion sein. Hierfür werden wir die verschiedenen Kapitalbegriffe, den Kapitalfetisch und Bourdieus Illusio vorstellen und die komplementäre Intention kritischer Sozialforschung nach Bourdieu und der Neuen Marx-Lektüre mit Euch diskutieren.

Vincent Gengnagel und Andreas Kallert beschäftigen sich schon länger in der fub – hin und wieder auch mit kritischer Gesellschaftstheorie.
Ort: Balthasar, Balthasargässchen 1 (zwischen Schranne und Kaulberg)
Beginn: 20:00
Eintritt: frei

fub presents: Donnerstag, 10. Januar. ULRIKE WURMTHALER/SUSANNE KADE: Jungen als »Bildungsverlierer«? Über geschlechterbezogene Mythen in der Bildung

Seit einigen Jahren wird über die Benachteiligung von Jungen im weiblich dominierten Erziehungs- und Bildungskontext diskutiert. Eine besorgte Öffentlichkeit moniert, dass Jungen hier keine geeigneten Vorbilder hätten. Erzieherinnen und Lehrerinnen würden sie nicht ihren Neigungen entsprechend motivieren. Schlechtere Bildungsabschlüsse und geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt seien die Folge. Die Forderung nach mehr Männern beim Erziehungs- und Lehrpersonal wird laut …
Im Vortrag wird beleuchtet, wo und wie Jungen und Mädchen aufgrund ihrer Geschlechterzugehörigkeit im Bildungs- und Erziehungssystem benachteiligt werden, in welchen Bereichen aber auch Mythen existieren.

Ulrike Wurmthaler ist Diplom-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin. Sie arbeitet psychotherapeutisch in freier Praxis mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.
Susanne Kade ist Diplom-Psychologin. Sie arbeitet in einer heilpädagogischen Tagesstätte.
Beide sind aktiv im Bamberger Institut für Gender und Gesundheit e.V. (BIGG e.V.). Ihr Themenschwerpunkt ist geschlechterflexible Erziehung.
Ort: Balthasar, Balthasargässchen 1 (zwischen Schranne und Kaulberg)
Beginn: 20:00
Eintritt: frei

fub presents: 20. Dezember. Sonja Vogel. Die rote Köchin

Geschichte und Kochrezepte einer spartakistischen Zelle am Bauhaus Weimar

„Dein Traum, Hannah: Die Proletarier ganz unterschiedliche Gerichte kennenlernen zu lassen – nicht umsonst nennen sie dich die Rote Köchin. Mithilfe des guten Essens möchtest Du den Keim legen für die Ideen einer neuen sozialen Gerechtigkeit.“ (Luigi Veroneli, italienischer Weinpapst)
Hannah war die Rote Köchin, Mitglied einer spartakistischen Zelle am Bauhaus Weimar. Sie betrieb in den 1920ern ein Restaurant – mit dem Kochlöffel wollte sie die Werktätigen für die Revolution gewinnen. Nach Seminar und Küchendienst mischten die Zellenmitglieder Sprengstoff, jagten Faschist_innen und stellten an den Bauhaus-Werkbänken Pistolen her. Hannahs Geschichten zeigen, wie intensiv der Kampf um ein besseres Leben war, aber auch wie skurril und tragisch. Was ist aus Hannah geworden? Unklar. Geblieben sind nur ihre Aufzeichnungen und Rezepte.
»Die Rote Köchin« ist ein autobiografischer Roman zwischen Doku-Fiction, Kochbuch und Agitprop.

Sonja Vogel ist Journalistin und Lektorin im Ventil Verlag.

Ort: Balthasar, Balthasargässchen 1 (zwischen Schranne und Kaulberg)
Beginn: 20:00
Eintritt: frei

fub presents: 13.12. Magdalena Marsovsky. Ungarn konservative Revolution

2010 erhielt die rechte Fidesz 53% der ungarischen Wahlstimmen und damit die absolute Mehrheit. Weitere 17 Prozent stimmten für die »Bewegung für ein besseres Ungarn« (Jobbik), die sich offen zu rechtsextremen Positionen bekennt. Ideologische Rückendeckung finden solche völkischen und demokratiefeindlichen Parteien durch eine Gesellschaft, in der Rassismus, Antisemitismus und Antiziganismus weit verbreitet sind. Die ungarische Nation, so scheint es, ist durch die Wahlen zu einer geschlossenen Gesellschaft g
eworden, die sich als ethnisch homogene Volksgemeinschaft definiert. Auf ein Feindbild angewiesen geht die chauvinistische Politik einher mit der Gleichschaltung von Medien, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft. Wer nicht als Teil des »magyarischen Volkstums« betrachtet wird, sieht sich einem gewaltigen psychischen und wirtschaftlichen Homogenisierungsdruck ausgesetzt. Die wohl am stärksten gefährdeten Gruppen, gegen die sich eine Politik des Hasses richtet, sind Roma, Jüdinnen und Juden und Kosmopolit_innen, Intellektuelle, Linksliberale, Obdachlose und Homosexuelle, die als »verjudet« gelten.

Magdalena Marsovszky ist Kulturwissenschaftlerin, freie Publizistin, Lehrbeauftragte der Hochschule Fulda, Vorstandsmitglied des Villigster Forschungsforums zu Nationalsozialismus, Rassismus und Antisemitismus e.V. und Vorstandsmitglied der in Ungarn tätigen Bürger_innenrechtsbewegung für die Republik (Nachfolgeorganisation der ehemaligen Roma-Bürger_innenrechtsbewegung).

Ort: Balthasar, Balthasargässchen 1 (zwischen Schranne und Kaulberg)
Beginn: 20:00
Eintritt: frei

fub presents: 5.-7. Dezember 2012. 20 Jahre Nationalistische Asylpolitik

Von Pogromen und Asylkompromiss zur heutigen Kritik

20 Jahre nach den ausländer- und asylfeindlichen Pogromen von Rostock-Lichtenhagen und Mannheim-Schönau gedenkt die Bundesrepublik der Opfer von Rassismus und rechter Gewalt. Der Bundespräsident pflanzt eine (inzwischen beseitigte) Friedenseiche und predigt wie gewohnt gegen Extremismus von Links und Rechts. Während er Aktivist_innen, die ihn kritisieren, mit Nazis gleichsetzt, zerreißen engagierte Bürger_innen ein von Antifas entrolltes Transparent mit d
er Aufschrift »Rassismus tötet«. Zur Gedenkfeier geladenen Mitgliedern eines deutsch-afrikanischen Freundeskreises wird aus rassistischen Motiven der Zutritt verweigert. Wie vor 20 Jahren ist anlässlich des Terrors des Nationalsozialistischen Untergrunds viel vom »Versagen« der Sicherheitsbehörden, wenig von amtlicher Beihilfe zu Mord und Totschlag die Rede. Eine politische Konsequenz aus den Pogromen war Anfang der 1990er der »Asylkompromiss«, der das Grundrecht auf Asyl einschränkte – die parlamentarische Umsetzung der Forderungen des fremdenfeindlichen Mobs. Gegenwärtig steht dieses Gesetz wieder in der Kritik: Nicht nur in Bamberg gab es diesen Sommer Protestaktionen gegen diese Asylpolitik.
Wir wollen an drei aufeinander folgenden Tagen die Vorgeschichte des »Asylkompromiss« und seine parlamentarische Durchsetzung rekapitulieren sowie die Positionen der Aktivist_innen vergangener und aktueller Asylrechtskampagnen (v. a. des Bamberger Prostestcamps) diskutieren.

Mittwoch, 05.12
VINCENT GENGNAGEL/ANDREAS KALLERT: Pogromly?
»Kein Volk kann aber eine drohende Überfremdung widerstandslos hinnehmen, will es sich nicht selbst aufgeben« (Manfred Kanther, CDU, anlässlich der Morde von Solingen)
Der Vortrag führt in die völkisch-regressiven gesellschaftlichen Zustände des wiedervereinigten Deutschlands Anfang der 1990er Jahre ein, die auf politisch-legislativer Ebene in den so genannten »Asylkompromiss« mündeten. Anhand von exemplarischem Film- und Audiomaterial wird die Geschichte der Pogrome und Morde nacherzählt, die ab 1990 massiv zunahmen und durch Sicherheitsbehörden und Mehrheitsgesellschaft gedeckt und bestärkt wurden. Die politische Grundstimmung spiegelte sich im gewalttätigen »Kampf um die Straße« wider, bei dem sich alte und neue Nazis frei unter deutschen Überfremdungswutbürger_innen bewegen konnten.

Vincent Gengnagel und Andreas Kallert beschäftigen sich schon länger mit »Behördenversagen«.
Ort: Balthasar, Balthasargässchen 1 (zwischen Schranne und Kaulberg)
Beginn: 20:00
Eintritt: frei

Donnerstag, 06.12
JANA HEINE: 20 Jahre Nikolauskompromiss
Zum »Wohle des deutschen Volkes«
Die Rede vom »Asylmissbrauch« durch »Scheinasylanten« wurde bereits seit Mitte der 1970er Jahre von CDU/CSU verbreitet, um eine weitere Einschränkung des Asylgrundrechts zu legitimieren. Als Regierungspartei nutzte sie dann die europäische Ebene, um Druck auf die anderen Parteien auszuüben: In intransparenten Verhandlungen entwickelte sie das Konzept des »sicheren Drittstaates«, um Asylsuchende in jene Länder zurückzuschicken, über die sie eingereist sind. Dies wäre – ohne dass die Asylberechtigung geklärt wird – ohne Änderung des Asylgrundrechts nicht zulässig. Noch unter dem Eindruck der Ereignisse von Rostock-Lichtenhagen und Mölln schlossen CDU/CSU, SPD und FDP dann am 6.12.1992 den »Nikolauskompromiss«, mit dem das Asylgrundrecht de facto abgeschafft wurde. Wie es dazu kam, möchte der Vortrag u. a. anhand von Drucksachen des Bundestages, Parteipressemitteilungen, Zeitungsartikeln sowie parteinahen Periodika nachzeichnen.

Jana Heine promoviert über die Europäisierung nationaler Asylbehörden und engagiert sich bei freund statt fremd.
Ort: Balthasar, Balthasargässchen 1 (zwischen Schranne und Kaulberg)
Beginn: 20:00
Eintritt: frei

Freitag, 07.12
Das Bamberger Protest-Camp im Rückblick
eine offene Diskussion
Den Juli hindurch protestierten die iranischen Asylsuchenden Hadi, Siamak und Ashkan öffentlich auf dem Bamberger Markusplatz für ihre rasche Anerkennung als politische Flüchtlinge und gegen die rassistische bayerische Asylpolitik. Unterstützt wurden sie dabei von einem ebenso breiten wie spontanen Bündnis an Gruppen und Aktivist_innen. Wir wollen Beteiligte aus asylsuchenden, kirchlichen, bürgerlichen, studentischen und antifaschistischen Kreisen mit anderen Interessierten zusammenzubringen und die (erreichten) Ziele sowie die unterschiedlichen Positionen des Bamberger Protest-Camps, die durchaus über das primäre Ziel der Anerkennung von Hadi, Siamak und Ashkan hinausgingen, diskutieren.
Wir freuen uns auf Euch!
Ort: Balthasar, Balthasargässchen 1 (zwischen Schranne und Kaulberg)
Beginn: 20:00
Eintritt: frei

Donnerstag, 29.11 FRANK SCHELLENBERG: Die Araber_innen, der Nationalsozialismus und die westliche Forschung Eine schwierige Konjunktion?!

Schellenberg

Nicht viele Themen bieten ein derartig hohes Konfliktpotential wie die Auseinandersetzung mit arabischen Reaktionen auf den Nationalsozialismus und die Shoa. Die Existenz arabischer Kollaborateur_innen mit dem Naziregime, die große Anzahl revisionistischer und/oder relativierender Arbeiten unter den arabischen Veröffentlichungen zum Thema und der virulente Antisemitismus in arabischen Ländern sind für manche Beweis dafür, dass die Erb_innen des Nationalsozialismus heute in der arabischen Welt zu suchen seien. Andere betonen die Vielfältigkeit arabischer Reaktionen in den 1930er und 1940er Jahren oder die Einbettung des Nationalsozialismus in der westlichen Kultur und verurteilen derartige Konjunktionen als unwissenschaftliche Projektionen.
Der Vortrag gibt einen Einblick in die wichtigsten Entwicklungen und Motive der arabischen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und der Shoa. Ebenso wird die westliche Forschung zu diesem Thema, ihre Defizite, Paradigmen und Desiderate angesprochen, um schließlich die Gründe für die Schwierigkeiten, die dieses Thema noch immer bereitet, zur Diskussion zu stellen.

Frank Schellenberg hat in Bamberg Islamwissenschaft und Arabistik studiert.
Ort: Balthasar, Balthasargässchen 1 (zwischen Schranne und Kaulberg)
Beginn: 20:00
Eintritt: frei

Donnerstag, 18.10.12: MARKUS HAMMERSCHMITT: Alkoholismus, Wahnsinn und Drogen in der russischen Literatur. Deformierte Wirklichkeitswahrnehmung und ideologische Indoktrination

Seit der Romantik sind Alkohol, Wahnsinn und Drogen ein prominentes Motiv der europäischen Literatur. Rausch, Ekstase und Delirium brachten die verborgene, irrationale Seite der menschlichen Natur zum Vorschein, die lange ignoriert worden war. In der sowjetischen Untergrundliteratur soll die durch den Konsum von Drogen und Wahnsinn verzerrte Realität das Andere der sowjetischen Vernunft ans Licht zu bringen. Die Wirklichkeit der Kokainist
_innen, Alkoholiker_innen und Irren steht in krassem Gegensatz zur offiziellen sowjetischen Wirklichkeit und stellt diese radikal in Frage. Geboten wird eine fetzige Powerpointpräsentation über den leidvollen Weg Venedikt Erofeevs nach Petuški, die verqueren schizophrenen Phantasien eines Sonderschülers und die Abenteuer eines kokainsüchtigen Rotarmisten sowie ein paar theoretische Überlegungen zu Delirium, Rausch, Ekstase und Wahnsinn in der Literatur.

Markus Hammerschmitt arbeitet am Lehrstuhl für slavische Literaturwissenschaft und beschäftigt sich mit der Literatur des 20. Jahrhunderts und (post-)strukturalistischer Theorie. Momentan promoviert er über »Realitäts- und Wirklichkeitskonstrukte in der russischen Literatur des 20. Jahrhunderts«.

Ort: Balthasar. Balthasargäßchen 1 (zwischen Kaulberg und Schranne)

Beginn: 20:00

Eintritt: frei

Donnerstag, 19.07.2012 GÜNTHER FRIESINGER: Stadtguerilla. & Freitag, 20.07.2012 PHILIPP FERNANDES DO BRITO: Drag Kings.

Donnerstag, 19.07.2012

GÜNTHER FRIESINGER: Stadtguerilla.

Taktisches Handeln in der Stadt der Zukunft (Info s. unten)

Ort: Balthasar. Balthasargäßchen 1 (zwischen Kaulberg und Schranne)

Beginn: 20:00

Eintritt: frei

Info: s. unten

Freitag, 20.07.2012

PHILIPP FERNANDES DO BRITO: Drag Kings.

Von Frauen in Männerkleidung, Tomboys und falschen Bärten (Info s. unten)

Ort: Balthasar. Balthasargäßchen 1 (zwischen Kaulberg und Schranne)

Beginn: 20:00

Eintritt: frei

Info: s. unten

INFO: GÜNTHER FRIESINGER: Stadtguerilla.

Taktisches Handeln in der Stadt der Zukunft

Die Stadtguerilla operiert im städtischen Milieu und greift dabei auf Strategien und Methoden der klassischen Guerilla zurück. Waren es zu Beginn der 1970er militante Gruppen der so genannten »Spontiszene«, hat sich der Begriff in den letzten Jahren verändert. Heute steht er für ein Ensemble aus Politikformen, die »Guerilla Gardening«, »Urban Hacking« oder »Culture Jamming« umfassen. Doch wie sieht die Zukunft der Stadtguerilla aus? Häufig wird davon ausgegangen, dass sich die Stadt von morgen zu einer utopischen Stadtwelt für den Meta-Menschen entwickeln wird. Doch ist das wirklich erstrebenswert? Und welche Strategien werden Stadtguerillas in Zukunft benutzen, um einem derart reglementierten Leben zu entgehen?

Günther Friesinger ist Philosoph, Künstler, Kurator, Produzent und Edu-Hacker. Gründer und Leiter des „paraflows“-Festivals, Chairman des QDK Wien und Geschäftsführer der Kunstgruppe monochrom.

INFO: PHILIPP FERNANDES DO BRITO: Drag Kings.

Von Frauen in Männerkleidung, Tomboys und falschen Bärten

Wenn Frauen Männerkleidung tragen, sorgt dies immer noch für Verwirrung, obwohl Figuren wie Jeanne d’Arc oder Calamity Jane längst Bestandteil populärer Erzählungen geworden sind. Was aber, wenn diese Verwirrung nicht bloß als amüsanter Gegenstand historischer Geschichten auftritt, sondern sich in der Realität manifestiert und so unser geschlechtliches Begriffssystem in Frage stellt? Frauen, deren Aussehen und Verhalten als maskulin bewertet wird, werden »Garçonnes«, »Tomboys«, »Drag Kings« oder »Dykes« genannt. Solche Begriffe definieren nicht selten sexuelle und geschlechtliche Identität als lesbisch, bi- oder transsexuell, obwohl die zugrunde liegenden Strategien einem geschlechtlichen Alternativmodell Ausdruck verleihen, das dergleichen Zuordnungen außer Kraft setzt. Vor dem Hintergrund einer Kultur der Androgynität, des Genderswitchings und der performativen Geschlechtsidentität, wie sie sich aktuell abzeichnet, geben so genannte »Drag Kings« ein Beispiel, wie die Idee von Maskulinität durch ihre expressive Darstellung am vermeintlich anderen Körper hinterfragt werden kann. Der Vortrag stellt Fotographien, Video-, Musik- und Filmbeispiele vor, um an ihnen zu zeigen, wie sich Travestie und »drag kinging« als Mittel zur Verunsicherung geschlechtlicher Normen und Rollenmuster seit den 1970ern einsetzen lassen.

Philipp Fernandes do Brito ist freier Kunsthistoriker, Autor und Ausstellungsführer. Forschungsschwerpunkte: Surrealismus und Fotografie, Body- und Performance Art / Happening sowie Sexualität, Gender- und Identitätskonstruktion in der klassischen Moderne und der zeitgenössischen Kunst.

Donnerstag, 12.07.2012 CHRIS WILPERT: Hipsters Selbsthass

Für die schwarzen Hipster der 1940er war Hipness in Form von Wissen, Mode, Slang und Musik eine subversive, subkulturelle Strategie. Sie verhieß eine Gegenkultur, an die die weißen Hipster der 1950er und 1960er, die »White Negros« und Beatniks, in ihrer Begeisterung für schwarzen Jazz, avantgardistische Literatur und Drogen anknüpften und damit weiße Privilegien aufgaben, zu denen ihre afroamerikanischen Vorbilder freilich niemals Zugang hatten.

Die Hipster der Jahre 1999 bis 2003 sind hingegen längst ein im Mainstream angekommenes Modephänomen. Ihre wesentliche Eigenschaft ist es, keine Hipster sein zu wollen. Neben der Distinktion zeichnen sie sich durch unreflektierten Konsumismus, Whiteness und Männlichkeit aus, denn auch wenn es schwarze Hipster_innen gibt, gibt es sie nicht, weil sie in der aktuellen Hipster-Rezeption nicht sichtbar sind. Ist Hipstertum damit ganz im Mainstream aufgegangen oder wohnt ihm im Rekurs auf die avantgardistische Tradition doch noch ein kritisches Potenzial inne?

Chris Wilpert ist Mitherausgeber_in der testcard, übersetzt für den Ventil Verlag, liest unhipe Bücher und promoviert gegenwärtig zu Thomas Harlan.

Ort: Balthasar, Balthasargässchen 1 (zwischen Schranne und Kaulberg)

Beginn: 20:00

Eintritt: frei