Donnerstag, 20.10.2011 »Sommer der Liebe« – Ein Film von Wenzel Storch

Wir schreiben das Jahr 1971, Erdzeit. Auf unserem kleinen blauen Planeten stößt eine Gruppe junger moderner Menschen in neue unbekannte Dimensionen des Bewusstseins vor. Sie suchten den Schlüssel zu einer besseren Welt und öffneten das Tor zum Sommer der Liebe…
Heilige Berge und verbotene Früchte, Tramperinnen im Kochtopf und Sextherapie im Hühnerstall: Wenzel Storchs Langhaarigen-Report erzählt die kunterbunte Mär vom Aufstieg und Fall der westdeutschen Blumenkinder. Eine Rutschpartie ins Goldene Zeitalter – hinein in die Zeit, als die Kleidung noch hautsympathisch und pflegeleicht war, und als die Zauberworte noch »Polyacryl«, »Polyamid« und »Polyurethan« lauteten.
»Ein jämmerlicher Film, der mehr Mitleid erregt als provoziert. Storch, der damit kokettiert, durch seine beiden Filme ein erkleckliches Sümmchen an Schulden angehäuft zu haben, stünde finanziell um einiges besser da, wenn er seine Filme einfach nicht gemacht hätte. Er liefert persönliche Kopfgeburten, die nur ihn interessieren, und so ist es schon ein kleiner Skandal, dass ‚Sommer der Liebe’ mit Mitteln der Filmbüros Hamburg und Nordrhein-Westfalen finanziert wurde. Das Ergebnis ist jedenfalls ein Film, der einem den Feierabend gründlich vergällt.« (Katholischer Filmdienst)

Wenzel Storch ist Filmemacher (»Der Glanz dieser Tage«, 1989; »Sommer der Liebe«, 1993; »Die Reise ins Glück«, 2004) und schreibt für konkret, vorwiegend über kuriose Catholika. 2009 erschien im Ventil Verlag sein Buch »Der Bulldozer Gottes«. Zuletzt hat er in der Freien Uni über den Entstehungsprozess seiner Filme gesprochen: Heute zeigen wir einen seiner Filme.
Ort: Balthasar, Balthasargäßchen 1 (zwischen Schranne und Kaulberg)
Beginn: 20:00
Eintritt: frei

Letze fub des Sommersemeters

Jonas Engelmann: Gefangen auf dem Höllenplaneten.

Flucht und Verwandlung in den Comics von Art Spiegelmans

(Infos s. unten)

Die Veranstaltung findet dieses mal allerdings am Freitag statt

Außerdem wird Jonas Engelmann, wenn er schon mal da ist, am Samstag im Morphclub einen Vortrag zur Emo-Kultur halten (und den im Ventil Verlag erschienen Emo-Reader vorstellen)

(Infos weiter unten)

Im August werden wir uns dann mit dem Programm fürs kommende Wintersemester befassen, falls jemand Vorschläge hat oder gerne bei uns mitmachen möchte, bitte einfach kurz bei mir melden

Freitag, 29.07.2011

Jonas Engelmann: Gefangen auf dem Höllenplaneten.

Flucht und Verwandlung in den Comics von Art Spiegelmans

In Art Spiegelmans Comic »Maus« haben die Juden und Jüdinnen Mäuse-, die Deutschen Katzenköpfe, die Pol_innen sind Schweine, etc. Ein wichtiger Einfluss auf seine Entscheidung, sie so zu zeichnen, sei Kafkas »Josefine, die Sängerin oder das Volk der Mäuse« gewesen, hat Spiegelman in einem Interview angegeben – eine von vielen Erzählungen Kafkas, in denen mittels der Darstellung von Tieren über das Judentum nachgedacht wird. Gilles Deleuze und Félix Guattari haben in »Kafka. Für eine kleine Literatur« das Tier-Werden bei Kafka als Versuch des Ausbrechens aus festgelegten Identitäten interpretiert. Sie schreiben: »Das Wesentliche am Tier ist für Kafka der Ausweg, die Fluchtlinie, auch ohne sich von der Stelle zu rühren, selbst wenn man im Käfig bleibt. Nicht die Freiheit, sondern ein Ausweg.« Ausgehend davon soll das Tier-Werden in den Comics von Spiegelman, vom Frühwerk über »Maus« bis hin zu seiner Auseinandersetzung mit dem 11. September, »In the Shadow of No Towers«, im Kontext einer Auseinadersetzung mit der Funktionsweise antisemitischer Projektionen gelesen werden.

Ort: Balthasar. Balthasargäßchen 1 (zwischen Kaulberg und Schranne)

Beginn: 20:00

Eintritt: frei

Samstag, 30.07.2011

Jonas Engelmann: Emo

Keine Veranstaltung der Freien Uni, aber trotzdem empfohlen: Emos werden gehasst und belächelt. In Essen werden sie derzeit als Problem im Rathaus diskutiert. Anderswo war und ist ihre Kultur massiven Anfeindungen ausgesetzt – von tätlichen Übergriffen wie in Lateinamerika bis hin zu Diskussionen über ein Verbot der Emo-Mode im russischen Parlament. Die ansonsten um Erklärungsmuster nicht verlegenen bürgerlichen Medien stehen dem Phänomen seltsam sprachlos gegenüber. Dies mag daran liegen, dass sich Emo schwer einordnen lässt: Handelt es sich um eine Subkultur oder eine Mode? Zu unterscheiden ist zwischen zwei Entwicklungen: Einerseits bezeichnet der Begriff »Emo« seit den 1980er-Jahren eine Entwicklung im US­amerikanischen Hardcore, die auf das zunehmende Machogehabe innerhalb der Szene mit einer Betonung von Emotionalität reagiert. Andererseits entstand seit dem Jahrtausendwechsel parallel dazu eine Szene, die optisch dem entspricht, was heute mit Emo assoziiert wird. Diese versteht sich, anders als die Musikszene, nicht als explizit politisch, hat aber mit ähnlichen Vorurteilen zu kämpfen: Den Emo-Musiker_innen wurde eine Verwässerung und Verweichlichung von Hardcore vorgehalten, die jüngeren Emos werden wegen ihres androgynen Auftretens angefeindet. Doch wie hängen beide Szenen zusammen, und was ist der politische Rahmen, in dem sich Emo bewegt? Und woher kommt der Hass auf die Szene?

Beginn: 21:00

Ort: Morphclub

Jonas Engelmann promoviert über Rassismus, Krankheit und Religion im Comic, arbeitet beim Ventil Verlag und für die testcard.

fub of the week

Donnerstag, 14.07.2011

Sandro Holzheimer: Demokratie und Politik

Wenn das liberale Modell der Demokratie das Lob der Verständigung unter freien Bürger_innen spricht, wenn Berufspolitiker_innen das Wohl der Demokratie mit der »inneren Einigkeit« der Gesellschaft über Fragen ihres »Zusammenhalts« gleichsetzen und wenn, wie kürzlich in der causa Sarrazin, sich diese Einigkeit unmittelbar einstellt, dann steht damit im Grund das Eigene der Demokratie auf dem Spiel, das nicht im zivilen Einvernehmen, sondern in einem »Unvernehmen« (Jacques Rancière), nicht im Konsens, sondern im Streit zu suchen ist. Der Vortrag wird zunächst an einigen Stationen der Philosophiegeschichte die abendländische Reflexion nachzeichnen, um zu klären, warum die Demokratie von Platon über die Aufklärung bis in die Moderne ein philosophisches Skandalon darstellt. Davon ausgehend wird anhand neuerer philosophischer Aufwertungen dieser Anstößigkeit der Demokratie, die mit den Namen Jacques Rancière und Claude Lefort verbunden sind, versucht, das Eigene der Demokratie und vor allem auch einer demokratischen politischen Praxis nachzuvollziehen.

(Vortrag war bereits fürs letzte Semester angekündigt, musste aber ausfallen)

Sandro Holzheimer promoviert am Lehrstuhl für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft der Otto-Friedrich-Universität Bamberg.

Freitag, 15.07.2011

SexyKapitalismus™: Radio – frei wovon und frei wozu?

Zur Praxistheorie Freier Radios

Entlang der drei wesentlichen Elemente Sprache – Assoziation – Musik wollen euch SexyKapitalismus einen Einblick in die Welt des nichtkommerziellen Lokalfunks in Deutschland geben. Dabei ist für uns die Kritik an den linksmedialen Essentials wie Gegenöffentlichkeit, die eben nicht alleine Freie Radios betreffen, von besonderem Interesse. Neben Indiskretionen aus dem Radioalltag und erläuternden Hörbeispielen soll der Vortrag im Besonderen um den Umgang mit Musik in Freien Radios kreisen. Die Basis des Vortrags bildet eine mehrjährige, von uns mitorganisierte Auseinandersetzung mit Praxistheorie und Theoriepraxis Freier Radios in Deutschland.

SexyKapitalismus™ …oder Pop ist eine Pizzaschachtel sendet und trinkt seit 10 Jahren in Stuttgart. Die Schwerpunkte der Sendung liegen genauso in der Kritik der Popkultur wie im gezielten Abspielen von Musik auf ständiger Suche nach Poesie in der Jauchegrube POP. Die Interessengebiete der Redakteure sind notgedrungen breiter gefächert.

Stellungnahme zum Farbanschlag auf das Balthasar

In der Nacht vom 4. auf den 5. Juli 2011 wurde der Aufenthalts- und Mehrzweckraum „Balthasar“ im Balthasargässchen 1 Ziel eines offensichtlich rechtsradikal motivierten Anschlags. Dabei wurden die Eingangstür und die angrenzenden Fenster mit schwarzem Lack und Aufklebern der Neo-Naziorganisation „Freies Netz Süd“ beschädigt.
Das Balthasar ist ein selbstverwalteter Raum, der verschiedensten kulturellen und politischen Initiativen offen steht. Verwaltet wird dieses kleine studentische Kulturzentrum von seinen Nutzer_innen, die in einem regelmäßigen Plenum das gemeinsame Programm und generell alle Belange des Balthasars organisieren. Das Balthasar versteht sich als Freiraum. Dabei wird dieser Freiraum nicht nur als Offen-Sein für verschiedene Projekte und Initiativen verstanden, sondern versucht, bestehende Diskriminierungsmuster der Gegenwart zu reflektieren. Zu diesem Zweck wurden gemeinsame Anti-Diskriminierungsrichtlinien in der Hausordnung verankert. Im Balthasar werden alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit – wie beispielsweise Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, Xenophobie – bekämpft; dies geschieht unter anderem durch eine konsequente Unterbindung solcher Vorkommnisse in unseren Räumlichkeiten.
Offensichtlich hat uns dieser Umstand zum Ziel der rechtsradikalen Szene gemacht. Nicht nur uns. Immer wieder kam es in den letzten Monaten in und um Bamberg zu solchen und ähnlichen Aktionen der radikalen Rechten. Diese Anschläge richteten sich wiederholt gegen Institutionen und sogar gegen Privatpersonen, die nicht in das nationalsozialistische Weltbild des „Freien Netz Süd“ und seiner Sympathisant_innen passen. Dabei werden rechte Parolen mittels Flyern, Aufklebern und Sprühaktionen verbreitet, sowie Sachbeschädigungen verübt. Dass sich diese Aggression derzeit vorrangig gegen Sachen richtet, kann nicht über die grundsätzliche Gewaltbereitschaft dieser Szene hinwegtäuschen.
Wir erwarten, dass sich die zuständigen Ermittlungsbehörden mit Nachdruck um Aufklärung sämtlicher Vorkommnisse dieser Art bemühen!
Wir gehen davon aus, dass die Stadt Bamberg ¬¬– wie angekündigt – „allen rechtsradikalen Tendenzen entschlossen entgegentritt“ und zukünftig zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich solcher und ähnlicher Missstände annehmen, tatkräftig unterstützen wird.

Das Balthasar und seine Nutzer_innen lassen sich von diesem Anschlag nicht beirren und führen ihre Arbeit wie gewohnt fort.

Erstunterzeichner_innen:
AStA Bamberg e.V.
pon:Y
mtck
amnesty-Hochschulgruppe Bamberg
Der Studentische Konvent der Uni Bamberg
Ökologiereferat des Fachschaftenrates der Uni Bamberg
BIGG e.V. (Bamberger Institut für Gender und Gesundheit)
Antifa Bamberg
Masmavi Ensemble – orientalischer Tanz
Sozialreferat des Fachschaftenrates der Uni Bamberg
ökoop Bamberg
Kizomba Tanzkurs
Hochschulpolitisches Referat des Fachschaftenrates der Uni Bamberg
Antifaschismus/Antirassismusreferat des Fachschaftenrates der Uni Bamberg
freie uni bamberg
Grüne Hochschulgruppe Bamberg
Gleichstellungsreferat des Fachschaftenrates der Uni Bamberg
Monochrom
USI e.V.
Testcard
Skug
Krabbelgruppe im Balthasar
Balthasarreferat des Fachschaftenrates der Uni Bamberg
Fachschaft GUK

Donnerstag, 30.06.2011 Tilman Kallenbach: The Moon Asked The Crow. Eine Freakfolk-Hegemonieanalyse

Künstler_innen wie CocoRosie, Joanna Newsom und Sufjan Stevens werden gern unter dem Label »Freakfolk« zusammengefasst. Was sie eint, ist bisweilen schwer zu sagen. Harfe und so genannte »Elfenstimme« hier, ein Haufen von Kinderspielzeug da und nicht selten –zumindest im Spätwerk – ganze Orchester. Geht es dabei wirklich nur um Außenseiter_innentum – und ging es darum in der Popkultur nicht eigentlich schon immer?

Der Vortrag unternimmt den Versuch einer Hegemonieanalyse des »Freakfolk« und will so klären, was dessen Außen bzw. Innen sein könnte – welche Versuche zur Bedeutungsfixierung werden unternommen? Der Vortrag ist nach dem Kulturindustrievortrag im letzten Semester der zweite Versuch des Referierenden, Popkultur zu theoretisieren.

Tilman Kallenbach studiert in Bamberg und hat in der Freien Uni zuletzt über die Serienfigur Buffy gesprochen.

Beginn: 20:00

Eintritt: frei

fub weekly

Leider muss der Vortrag am Donnerstag ausfallen. Wir empfehlen, als Ersatzhandlung in den Morphclub zu Sonny Vincent zu gehen.

Donnerstag, 23.06.2011

PETER WALDMANN: Blank Generation.

Oder: die jüdischen Wurzeln des Punks.

Ort: Balthasar. Balthasargäßchen 1 (zwischen Kaulberg und Schranne)

Beginn: 20:00

Eintritt: frei


Info: s. unten

Das schneidet sich leider mit dem Konzert einer New York-Punk-Ikone im Morphclub: nämlich Sonny Vincent (als Vorband spielen die Heartsfields), aber vielleicht lässt sich das ganze ja uach irgendwie verbinden

Freitag, 24.06.2011

CLAUDE LANZMANN: »Warum Israel?«

(Originaltitel: »Pourquoi Israël«)

Ort: Balthasar. Balthasargäßchen 1 (zwischen Kaulberg und Schranne)

Beginn: 20:00

Eintritt: frei

Info: s. unten

Donnerstag, 23.06.2011

PETER WALDMANN: Blank Generation.

Oder: die jüdischen Wurzeln des Punks.

Eine äußerst präzise Beschreibung, wie man/frau sich die jüdische Identität in der Moderne vorzustellen hat, gibt ein literarisches Bild, das uns in den Tagebüchern von Franz Kafka überliefert wurde. Kafka stellt sich den assimilierten Juden seiner Generation als kleines, unscheinbares Tier vor, das sich gerade im Absprung befindet. Seine Hinterbeine kleben noch an den Ursprüngen, während seine Vorderbeinchen ihr Ziel, festen Boden, auf dem es sich ausruhen lässt, noch nicht gefunden haben. Dieses Bild, das an eine Momentaufnahme erinnert, beschreibt äußerst genau, in welcher Situation sich Juden im 20. Jahrhundert befunden haben. Durch die Assimilation und die Aufklärung sind sie von ihren religiösen Ursprüngen entfremdet. Die Füße des Tieres stehen kaum noch auf dem Boden religiöser Traditionen, die so lange bestimmend gewesen waren. Doch ein neues Fundament ist ebenso wenig in Sicht. Dieses Bild von Kafka, das ein Tier in Bewegung darstellt, wird ein wichtiger Bestandteil im Denken von Deleuze und Guattari. Sie sprechen von einer Existenzform des Tier-Werdens, die das Leben und Handeln von Minderheiten auszeichnet. Minderheiten zeichnen sich, so die beiden Theoretiker, durch stetige Bewegung aus, mit der sie sich die Freiheit von den Fesseln der Mehrheitsgesellschaft erkämpfen. Diese Tradition der Jüdischen Identität, die Kafka mit dem Bild des springenden Tieres darstellt, meint wohl Beeber, wenn er in seiner Einleitung zu dem Buch »The Heebie-Jeebies at CBGB‘S betont«: »Punk is Jewish. Not Judaic«. Es lässt sich nun die These aufstellen, dass Punk eine subkulturelle Strategie des Widerstands ist, die sich aus der jüdischen Herkunft seiner maßgeblichen Protagonist_innen erklären lässt. Diese These möchte der Vortrag verifizieren.

Dr. Peter Waldmann ist Kulturwissenschaftler, Komparatist, Philosoph, Privatdozent und Vorsitzender des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden von Rheinland Pfalz.

Freitag, 24.06.2011

CLAUDE LANZMANN: »Warum Israel?«

(Originaltitel: »Pourquoi Israël«)

Ein Dokumentarfilm des französisch-jüdischen Regisseurs Claude Lanzmann aus dem Jahr 1973. 25 Jahre nach der Gründung des Staates Israel stellt Lanzmanns Film Gründe für dessen Notwendigkeit vom jüdischen Standpunkt aus dar. Obwohl er die Argumentation aus Sichtweise anderer Religionen und Bevölkerungsgruppen deren Mitgliedern selber überlassen will, soll »Warum Israel?« nicht als einseitiger Propagandafilm verstanden werden. Palästinenser_innen kommen im Film nicht selbst zu Wort. Stattdessen wurden unter anderem Emigrant_innen aus Deutschland, Tzabarim und Sephardim interviewt. Bei den Gesprächspartnern handelt es sich um Menschen verschiedenster Prägung wie Intellektuelle, Polizist_innen, Dockarbeiter_innen oder Gefängnisinsass_innen.

Andreas Kallert/Vincent Gengnagel: Wider den Stunde-Null-Mythos: Faschismus und Antiliberalismus in der bayrischen Außenpolitik gegenüber Tschechien und Ungarn 1933 bis 2010

65 Jahre waren die bayerischen Regierungen nicht in der Lage, außenpolitische Beziehungen zum Nachbarstaat CSSR bzw. zu Tschechien aufzunehmen. Bis zur deutschen Besatzung war die tschechische Republik eine der liberalsten Demokratien Europas. Der erste Besuch eines bayerischen Ministerpräsidenten, 2010 (!) von Horst Seehofer in Prag, stellt jedoch noch lange keine Normalisierung dar. Im Gegensatz zu den problematischen Beziehungen zu Tschechien gestalten sich die bayerisch-ungarischen Beziehungen deutlich kooperativer: Zum Bespiel bot die bayerische Regierung direkt nach dem Wahlerfolg der neofaschistischen Jobbik-Partei verbesserte polizeiliche Zusammenarbeit an. Analog zu Erich Späters historisch hergeleiteter Analyse der deutsch-tschechischen Beziehung (am 05.05) werden wir zunächst auf die deutsch-ungarische Kooperation während der NS-Zeit eingehen, um anschließend eine vergleichende Diskussion zu führen. Aus ihr können Rückschlüsse auf das post-faschistische Bayern gezogen werden, die sich hoffentlich fruchtbar mit Grigats Beschäftigung mit der post-nazistischen Gesellschaft Österreichs (am 07.07) verbinden lassen.

Vincent Gengnagel und Andreas Kallert sind schon länger »in der fub« aktiv und freuen sich auf neue und alte Gesichter. Andreas Kallert hat in der Freien Uni zuletzt die Ideologie von Tauschringen kritisiert.

Diese Woche in der fub: Schleuser_innen und Hochschulpolitiker_innen

Donnerstag, 19.05.2011
Ralf Homann: schleuser.net: Die Lobby für Schleuser_innen und Schlepper_innen

Ort: Balthasar. Balthasargäßchen 1 (zwischen Kaulberg und Schranne)
Beginn: 20:00
Info: s. unten

Freitag, 20.05.2011
Lukas Hofstädter/Stefanie Girstmair: Katharsis und Kritik: Uniproteste mit Gramsci und Foucault

Ort: Balthasar. Balthasargäßchen 1 (zwischen Kaulberg und Schranne)
Beginn: 20:00
Info: s. unten

INFO: Ralf Homann: schleuser.net: Die Lobby für Schleuser_innen und Schlepper_innen

Eine Säule, oder genauer: ein Wachturm, des EU-Grenzregimes ist die Definitionshoheit über die richtigen Wörter für den Personenverkehr: Von den Fluchthelfer_innen des Kalten Krieges zu den Schleuser_innen, von der Gastarbeiter_innen-Agentur zu Schlepper_innen. Doch es gibt auch Gegenströmungen, die den erfundenen EU-Sprech vom »human smuggler« z.B. durch »migration broker« ersetzen. Dieser innere Zaun aus Imagetransfer und Bildregime bietet der Kommunikationsguerilla ein weites Arbeitsfeld. Der Bundesverband Schleppen und Schleusen, 1998 in München gegründet, entwickelte bis 2008 dazu eine vielfältige Praxis. Ralf Homann skizziert die 10 Jahre dieser »Lobbyorganisation für Unternehmen im undokumentierten grenzüberschreitenden Reisemarkt« (Eigenbezeichnung) und diskutiert, wie die Grenze von politischer und künstlerischer Aktion überschritten werden kann, um den Wachturm von innen heraus anzusägen.

Ralf Homann ist Bildhauer und Autor. Für die Kunstbiennale manifesta 8 befasste er sich im Herbst 2010 mit dem Verhältnis von Nordafrika und Europa; im Januar sendete der Zündfunk sein Radio-Essay »Das Gerade ist fast immer das Böse«. Ralf Homann lebt zurzeit in Berlin.

INFO: Lukas Hofstädter/Stefanie Girstmair: Katharsis und Kritik: Uniproteste mit Gramsci und Foucault

Im Vortrag soll mittels der Hegemonietheorie von Antonio Gramsci sowie des Subjektivierungsansatzes von Michel Foucault eine analytische Perspektive auf die »unibrennt«-Studierendenproteste an den österreichischen Universitäten 2009/2010 gewonnen werden. Die theoretischen Referenzen entspringen dabei den Protesten selbst, weshalb wir versuchen wollen, eine synthetisierende Perspektive einzunehmen. Dieser Blickwinkel führt weg von einer Betrachtungsweise, die Proteste an der unmittelbaren Durchsetzung ihrer politischen Forderungen misst, hin zu einer Position, die stärker die Produktion der handelnden Subjekte in den Blick nimmt sowie deren Versuche, sich selbst neu zu positionieren und strukturierend auf politische Prozesse einzuwirken. Damit verschiebt sich der Fluchtpunkt kritisch-subversiver »Realpolitik« weg von kurzfristigen Einzelaktionen hin zur Frage nach der langfristigen Produktion kritischer Subjektivität und damit von subversivem Potential.

Lukas Hofstätter studiert und arbeitet am Institut für Soziologie der Universität Wien.

Stefanie Girstmair hat in Wien Psychologie und Internationale Entwicklung studiert und ist als freie Forscherin in verschiedenen Projekten tätig.

Donnerstag, 12.05.2011 Benedikt Frank: Sonntag Abend, 20:15. Tatorte der Erinnerungspolitik

Sonntagabend, 20:15, läuft auf den Fernsehern der Durchschnittsdeutschen die neue Folge des »Tatorts«. Wem das wöchentliche Ritual nicht genug ist, der findet an jedem anderen Tag Wiederholungen alter Folgen in den dritten Programmen. Dem Krimi geht es zunächst um Spannung und Unterhaltung. Doch der Anspruch der öffentlich-rechtlichen Sender, einem gesellschaftlichen Bildungs- und Informationsauftrag gerecht zu werden, schlägt auch in die Unterhaltungsformate durch. Entsprechend übertragen »Tatorte« gesellschaftliche Themen in ein fiktionales Format, bestehen aber darauf, in deren Darstellung »realistisch« zu bleiben. So kommt auch der Umgang der Deutschen mit ihrer Nazivergangenheit zur Sprache. Der »Tatort« wirkt hier als Resonanzkörper, der den Status Quo der Vergangenheitsaufarbeitung zur Produktionszeit der jeweiligen Folge widerhallen lässt. Und macht dadurch eine Mentalitätsgeschichte der deutschen »Aufarbeitung der Vergangenheit« und den Wandel der damit verbundenen Geschichtsbilder sichtbar. Anhand von Beispielen soll dies aufgezeigt werden. Das Dispositiv »Fernsehen«, das Kriminalgenre und der Realitätsanspruch bilden dabei ein ideologisches Dreigespann, das den postfaschistischen Karren in die Gegenwart zieht. Sie müssen daher genau durchleuchtet werden.

Benedikt Frank ist Gründer des Bamberger Pirat_Innenkinos und lebt zurzeit in Bayreuth, wo er Theater- und Medienwissenschaft studiert und seine Abschlussarbeit zum Thema des Vortrags schreibt.

Semesterstart

Das Sommersemester der fub sei hiermit eröffnet. Alle Termine sind hier zu finden.

Den Anfang machen zwei Referenten, die schon einmal in der fub zu Gast waren.

Donnerstag, 05.05.2011
Erich Später: Villa Waigner.
Hanns Martin Schleyer und die deutsche Vernichtungselite in Prag

Ort: Balthasar. Balthasargäßchen 1
Beginn: 20:00

Freitag, 06.05.2011
Johannes Ullmaier: »Dicke rote Striche unter ganze Zeilen«
Erich Mühsams Tagebücher in der Festungshaft als Vorschein digitaler Überwachung

Ort: Balthasar. Balthasargäßchen 1
Beginn: 20:00

Alle Infos s. unten.

Info: Erich Später: Villa Waigner. Hanns Martin Schleyer und die deutsche Vernichtungselite in Prag

Mit der Besetzung Prags begann am 15. März 1939 eine sechsjährige deutsche Terrorherrschaft über das »Reichsprotektorat Böhmen und Mähren«. Es wurde dem deutschen Herrschaftsbereich eingegliedert, von deutschen Konzernen und Banken ausgeplündert, das Eigentum seiner 80.000 jüdischen Bürger_innen an deutsche Banken, Konzerne, Gemeinden, Wohlfahrtsverbände und Zehntausende Volksgenoss_innen verteilt.

Erich Späters Vortrag schildert den Prozess der Entrechtung und Deportation der tschechischen Juden und Jüdinnen. Beispielhaft rekonstruiert er die Enteignung und Ermordung des jüdischen Ehepaares Waigner, dessen Prager Villa ein begehrtes Objekt der Begierde hoher Nazifunktionäre wurde. Den Zuschlag für die »Judenvilla« erhielt schließlich der SS-Offizier Hanns Martin Schleyer. Dies zeigt: Ohne Leute wie Schleyer wären weder der Vernichtungskrieg im Osten noch der Holocaust möglich gewesen.

Erich Später, geb. 1959, arbeitet – nach Buchhändlerlehre und Studium in Berlin und Saarbrücken – heute für die Heinrich Böll Stiftung, schreibt für die Zeitschrift Konkret und hat 2009 im konkret-Verlag das Buch »Villa Waigner – Hans Martin Schleyer und die deutsche Vernichtungselite in Prag« veröffentlicht. Zuletzt hat er in der Freien Uni über den Bund der Vertriebenen gesprochen.

Info: Johannes Ullmaier: »Dicke rote Striche unter ganze Zeilen«. Erich Mühsams Tagebücher in der Festungshaft als Vorschein digitaler Überwachung

Nach Scheitern der Münchner Räterevolution saß der Dichter und Anarchist Erich Mühsam, welcher prominent an ihr beteiligt war, von 1920 bis 1924 in Festungshaft. In dieser Zeit wurde sein Tagebuch, das er seit 1910 regelmäßig – und in der Haft noch intensiver – führte, mehrfach konfisziert, ausgewertet und (teils öffentlich) gegen ihn verwendet. Die schlimmen und absurden Konsequenzen, die daraus erwuchsen, werfen die Frage auf, inwieweit das, was im Rückblick als Entgleisung präfaschistischen Klassenjustizvollzugs erscheint, heute – mit den Möglichkeiten digitaler Überwachung – nicht allgemeiner Standard zu werden droht und wie man/frau sich dagegen wehren kann.

Johannes Ullmaier, geb. 1968, lehrt an der Universität Mainz; ist Mitherausgeber der Zeitschrift testcard; Buchveröffentlichungen: »Yvan Golls Gedicht ‚Paris brennt’. Zur Bedeutung von Collage, Montage und Simultanismus als Gestaltungsverfahren der Avantgarde« (1995); »Pop shoot Pop. Über Historisierung und Kanonbildung in der Popmusik« (1995); »Kulturwissenschaft im Zeichen der Moderne« (2001); »Von Acid nach Adlon und zurück. Eine Reise durch die deutschsprachige Popliteratur« (2001); (Hg.) »Schicht! Arbeitsreprotagen für die Endzeit« (2007). Zuletzt hat er in der Freien Uni gemeinsam mit Natalja Kyaw über Punk und Post-Punk in Jugoslawien gesprochen.

Der Vortrag findet mit freundlicher Unterstützung des Lehrstuhls für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft der Universität Bamberg statt.