Donnerstag, 17.02. FRANK APUNKT SCHNEIDER Indie-Hände-gespuckt Zur Kritik der Kultur der Unabhängigkeit

Unabhängige Labels – die so genannten »Indies« – spielten eine entscheidende Rolle für die Entwicklung der Popmusik, wie die Entdeckung von Elvis durch Sun Records in Memphis belegt. Im Unterschied zu den so genannten »Majors« waren und sind »Indies« mittelständische Unternehmen, die Nischenmärkte bedienen. Im Zuge der Entstehung einer Popgegenkultur in den späten 1970ern entstand allerdings eine neue Form des »Independentlabels«, das seine Unabhängigkeit und das Prinzip der Selbstorganisation (z.B. der Vertriebsstrukturen) als politisches Statement und als Bestandteil einer ohnehin politisch ausgerichteten Subkultur verstand. Für einen kurzen Moment ließ sich ästhetische Dissidenz mit politischer Kritik in eins setzen. Die Do-It-Yourself-Ästhetik von Punk und Post Punk haben zu einer weltweiten Explosion an »unabhängig« und »alternativ« produzierter Musik beigetragen. In den 1980ern entstand hieraus »Indie« als eigenes Musikgenre und »Unkommerzialität« als (unklar definierter, eher subjektiv gefühlter) Wert. Im Zuge dieser Entwicklung legte sich die »Indie«-Szene jedoch auch eine krypto-bürgerliche Ideologie der »unabhängigen Musik« zu, der Medien als Surrogat des Politischen dienen. Dies hat in fataler Weise zur Entpolitisierung des Popuntergrunds beigetragen und bürgerliche Werte und Tugenden anstelle von (linkem) Bewusstsein gesetzt hat. Warum das verhängnisvoll ist und wie gut »Indie« in die gegenwärtigen (deutschen) Verhältnisse passt, wird der Vortrag erläutern.

Frank Apunkt Schneider ist unfreier Künstler und selbsternannter Poptheoretiker. Er schreibt u. a. für Testcard, monochrom, Skug, Zonic, Bad Alchemy und Intro. Er lebt zurzeit als deutscher Außenposten der Kulturbewegung monochrom (www.monochrom.at) in Bamberg. Im Ventil-Verlag hat er das Buch »Als die Welt noch unterging. Von Punk zu NDW« veröffentlicht.

Zuletzt hat er am 03.12.2009 in der FUB zum Thema »Die Diktatur des ‚man’. Von der Schwierigkeit, in linken deutschen Medien geschlechtsneutral zu sprechen« gesprochen

Diese Woche: Ingo Elbe und Gerd Dembowski

Diese Woche gibt es gleich zwei Veranstaltungen in der Freien Uni, dafür fällt die in der nächsten Woche aus (der Vortragende musste leider absagen, wird aber vermutlich im nächsten Semester wiederholt)

Donnerstag, 03.02.
INGO ELBE: Gesellschaftskritik als »proletarische Weltanschauung«?
Arbeiterklasse und Revolution in der Marxschen Theorie
(Info s. unten)

Freitag, 04.02.
GERD DEMBOWSKI: Fußball vs. Riot-Folk. Mehr als eine Lesung.
(Info s. unten)

INGO ELBE: Gesellschaftskritik als »proletarische Weltanschauung«?

Karl Marx, der Theoretiker des »historisch unvermeidlichen Sieges der proletarischen Revolution«, die Kritik der politischen Ökonomie als »wissenschaftlicher Ausdruck proletarischen Klassenbewusstseins« – so haben es der klassische Marxismus und seine bürgerlichen Kritiker_innen tradiert.
Tatsächlich verarbeitet Marx vor allem in seinen frühen Schriften traditionelle geschichtsphilosophische und politökonomische Motive zu einem revolutionstheoretischen Modell, das im wesentlichen die Verelendung und historische Mission des Proletariats sowie eine Evolution der Produktivkräfte als notwendige und hinreichende Bedingungen für die Bildung revolutionärer Subjektivität und gelingender Umwälzung des Kapitalismus unterstellt.
Der Vortrag soll demgegenüber zeigen, dass sämtliche dieser revolutionstheoretischen Vorstellungen und Kriterien von Marx’ ausgearbeiteter Ökonomiekritik systematisch widerlegt werden. Damit wird Marx als Kritiker auch des proletarischen Klassenbewusstseins erkennbar, als Kritiker geschichtsphilosophischer und politökonomischer Denkformen, der in seiner desillusionierenden Haltung gegenüber der Arbeiterbewegung das »polizeilich Erlaubte und logisch Unerlaubte« ihrer Sozialismusvorstellungen nachweist.

Ingo Elbe ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Universität Oldenburg, Lehrbeauftragter an der TU Braunschweig und Mitglied des Arbeitskreises rote ruhr-uni. Zuletzt veröffentlicht: »Marx im Westen. Die neue Marx-Lektüre in der Bundesrepublik seit 1965«, 2. Aufl., Berlin 2010 und (als Mitherausgeber): »Eigentum, Gesellschaftsvertrag, Staat.
Begründungskonstellationen der Moderne«, Münster 2009 sowie »Kritik der politischen Philosophie«, Münster 2010. Online-Texte unter www.rote-ruhr-uni.com
Zuletzt hat er am 05.02.2010 in der FUB zum Thema »Der bürgerliche Staat in der neomarxistischen Theorie« gesprochen.

GERD DEMBOWSKI: Fußball vs. Riot-Folk. Mehr als eine Lesung.

Gerd Dembowski aus Berlin und Cairo, IL, liest nicht nur Fortschreibungen seines Buches »Fußball vs. Countrymusik«, das 2007 zum Fußballbuch des Jahres nominiert wurde. Das könnte ja jeder…
An seinen berüchtigten Abenden puzzelt er seine Texte in ein liebevolles Chaos aus Kinderinstrumenten und eigenem Country- und Folkgesang. Dabei packt er zusammen, was nicht zusammen gehört: Fußball und Riot-Folk. Aber nicht nur: Auch aus seinem gerade entstehenden Road-Roman über eine Hobo-Reise durch die USA trägt er vor.
Entwaffnende Kurzgeschichten und amüsant-politische Satire, die mit schonungslos persönlichen Eingängen immer den Weg in ein »großes« gesellschaftliches Thema weisen. Antitainment vom Feinsten.
Hören Sie infame Verleumdungen und herzvolle Liebeserklärungen – ein literarischer Drahtseilakt zwischen FIFA-Kongress und besetztem Haus. So wurden Sie noch nie belesen. Erscheinen Sie deshalb möglichst zahlreich, am besten manisch.

Gerd Dembowski (37) lebt in Berlin als Sozialwissenschaftler, freier Autor und Kurator von Ausstellungen wie »Tatort Stadion«, ist Mitglied bei BAFF sowie der AG Fandialog von DFB und DFL. Er hat soeben das Buch »Der Ball ist bunt. Fußball, Migration und die Vielfalt der Identitäten in Deutschland« bei Brandes & Apsel mitherausgegeben.
Zuletzt hat er am 8.6.2010 in der FUB zum Thema »Wie ‚weich’ ist der deutsche Nationalismus im Fußball?« gesprochen.

PHILIPP EICHHORN: Nationalbolschewismus Zum dialektischen Verhältnis von Nationalismus und Sozialismus

„Nationalbolschewismus wird gegenwärtig vor allem als Schimpfwort gebraucht, mit dem oft aus dem antideutschen Lager nationalistische, protektionistische oder ans »Volk« gerichtete Aussagen linker Gruppierung bedacht werden, die vermeintlich Marx bzw. den Sozialismus nicht verstanden haben.
Allerdings fungiert der Begriff »Nationalbolschewismus« auch als Selbstbezeichnung einer politischen Gruppierung, für die schon seit Jahrzehnten der Sozialismus nicht ohne den Nationalismus verwirklicht werden kann – und vice versa. Darunter der »linke« Flügel der NSDAP um die Strasser-Brüder, die Nationalbolschewistische Partei Russlands oder der Kampfbund deutscher Sozialisten. Aber ist die Dialektik von Nationalismus und Bolschewismus wirklich nur die Spielwiese für Querfrontler_innen, Wölfe im Schafspelz und NS-Nerds? Waren und sind die nationalistischen Tendenzen in der Linken wirklich nur populistisches Instrument und Ausdruck falsch verstandener Emanzipation? Und lassen sich Nationalismus und Sozialismus überhaupt voneinander trennen?
Der Vortrag gibt eine Einführung in die nationalbolschewistische Szene und ihre Ideen, das Verhältnis der Linken zum Nationalismus und stellt am Ende die Frage, ob ein kosmopolitischer Sozialismus überhaupt möglich ist.

Philipp Eichhorn ist FUB-Referent, Pirat_innenkinoaktivist und Autor bei Testcard Zuletzt hat er am 17.6.2010 in der FUB zum Thema »Post Porn Politics. Wie sieht der emanzipative Porno aus?« gesprochen.

Donnerstag, 13.01. CHRISTIAN HELLER: Meine Daten in meiner Festung. Kleine Kritik der Privatsphäre.

»Meine Daten gehören mir« und »Schutz der eigenen vier Wände«: Privatsphäre gilt dem bürgerlichen Subjekt als hohes Gut und als Existenz-Bedingung. Erst in ihr soll sich das freie Individuum, das Eigene der Persönlichkeit herausbilden. Dabei ist der Freiheits-Wert des Privaten uneindeutig: Als Mauer zwischen dem Einzelnem und der Gesellschaft bietet es beiden gleichermaßen Schutz davor, sich mit dem jeweils Anderen auseinander zu setzen. Emanzipation führt oft nicht in einen Schutz des Privaten hinein, sondern aus dessen Isolation heraus. Zugleich beansprucht »informationelle Selbstbestimmung« mit derselben Härte einen Eigentumsanspruch auf Informationsmuster wie die Rechteverwertungsindustrien ihn gegen »Raubkopierer« prozessieren. Die Auflösung des Menschen im Digital-Zeitalter in frei umherschwebende und rekontextualisierbare Informationen nennt der Apologet der Privatsphäre einen Angriff auf dessen Würde und Souveränität.

Christian Heller, Jahrgang 1984, hat in Berlin einige Semester Filmwissenschaft und Philosophie studiert, bevor er sich publizistisch auf den technischen Wandel gesellschaftlicher Formen und Werte und digitale Identitätspolitik verlegte.

Donnerstag, 09.12. TILMAN KALLENBACH: Buffy matters. Kulturindustrie aus (linker) Fanperspektive

Buffy Anne Summers und ihre Freund_innen haben es tagtäglich mit den Schrecken zu tun, die gemeinhin für den Horror des Heranwachsens gehalten werden. Sie bleiben aber auch danach weiterhin existent und sind keineswegs weniger ärgerlich. Buffy kämpft gegen jenes allgegenwärtige Böse, dass uns alle davon abhält, das zu tun, was uns das Liebste wäre.
Und sie kämpft gegen die allgegenwärtige Ignoranz und Gleichgültigkeit diesem bösen Ganzen gegenüber. – Das ist ungefähr die Rahmenerzählung von »Buffy the Vampire Slayer«, einer amerikanischen Fernsehserie der 1990er Jahren.
Als Fox-Serie trifft auf Buffy aber insbesondere das zu, was Horkheimer und Adorno als »Kulturindustrie« brandmarken, jene »Apologie der Gesellschaft«, von der sie in der »Dialektik der Aufklärung« schreiben: »Vergnügtsein heißt Einverstandensein.«
Anhand von Buffy soll im Vortrag die Kulturindustriethese diskutiert und die Frage aufgeworfen werden, ob und inwieweit es Utopie oder gar Kritik innerhalb kulturindustrieller Bedingungen geben kann.

Tilman Kallenbach studiert Soziologie und Pädagogik in Bamberg und kennt Buffy nur im amerikanischen Original.

fub: Dienstag, 07.12. 20 Uhr: Das kunterbunte Universum des Wenzel Storch. Wenzel Storch liest und wirft dazu Bilder an die Wand

Wie gesagt haben wir kurzfristig und sensationellerweise Wenzel Storch, den laut Titanic „besten Regisseur der Welt“ ins Perogramm gekriegt. Die Titanic mag zwar alles andere als geschmacksicher sein (vgl. Eckhardt Henscheid und/oder Robert Gernhardt), aber Storchs Filme sind keine öden Satiren, die irgendwas auf die Schippe nehmen, sondern eigenweltliche LoFi-Ausstattungsorgien, die in derselben Liga spielen wie die Filme von Herbert Achternbusch, Russ Meyer, Kenneth Anger, Bruce LaBruce, Helge Schneider oder Ed Wood.
Und falls die DVD bis dahin schon fertig ist, werden wir im Anschluss noch Storchs Meisterwerk „Sommer der Liebe“ zeigen; lief Mitte der 90er schon mal in Bamberg, nämlich im Residenz (Prä-Lichtspiel) und war jeden Abend komplett ausverkauft. Die Leute haben sich den Film seinerzeit im Durchschnitt mindestens drei mal angesehen. „Monty Phython auf LSD“ fand damals die Titanic
Falls die DVD noch nicht fertig ist, zeigen wir ein Making-of, das minedestens genauso lustig ist (feat. Kulissenbau aus Wurstaufschnitt
u.ä.)

JOSCHA FALCK: GEDANKEN ZUM HEIMLICHEN LEHRPLAN DER UNIVERSITÄREN LEHRERBILDUNG

Die Studierendenproteste im vergangenen Winter bezüglich der Überfrachtung der Lehramtsstudiengänge haben eindrucksvoll gezeigt, dass der Unmut groß ist. Lehramt zu studieren – so heißt es –, sei kaum mehr zu schaffen, ganz zu schweigen davon, nebenher noch anderen Dingen nachzugehen. Viele Studierende klagen – noch mehr haben sich eingerichtet, die Logik des Sachzwangs geschluckt und leiden im Stillen. Ihnen wurde vor Augen geführt, wie ohnmächtig sie gegenüber einer herrschenden Struktur sind.
Grund genug, einmal zu fragen, an welchen Stellschrauben fernab von Studiengebühren und Modulhandbüchern gedreht werden kann. In einer erfahrungsbezogenen Kritik der Lehrer_innenbildung geraten dann v. a. Beziehungen, Kommunikationsstrukturen und Zwischenmenschliches in den Fokus. Zur Diskussion soll das Elend in der Lehrer_innenfabrik gestellt werden. Im Vortrag wird nicht (nur) kritisiert, dass Lehrer unzureichend ausgebildet werden, sondern dass gerade diese Form der Ausbildung in ihren Wirkungen ein Teil der Katastrophe ist. So gesehen erscheinen Reformzwänge und studentischer Protest in einem anderen Licht. Was brauchen
Lehramtsstudierende und haben sie diese Bedürfnisse in den bisherigen Formen des Protests möglicherweise falsch artikuliert? Daraus ergibt sich nicht nur eine Perspektive, wie Studierende in Zukunft ihre Stimme erheben können.

Joscha Falck studiert seit 2006 an der Uni Bamberg zuerst Sozialpädagogik, dann Lehramt an Hauptschulen (Fächer Deutsch,
Geschichte/Soziakunde/Sport). Neben der Arbeit im Lehramtstreff ist er als Erstsemester-Tutor und Hilfskraft am Lehrstuhl für Schulpädagogik tätig.
Außerhalb der Uni engagiert er sich als Mitglied der Redaktion des pädagogischen Online Magazins »Auswege – Perspektiven für den
Erziehungsalltag« und ist Vorstandsmitglied der GEW Ansbach.

25.11.: LARS QUADFASEL: Gottes Spektakel Zur Kritik von Religion und Religionskritik

Kritik der Religion hat es im Spätkapitalismus mit einem Paradox zu tun: Die Kirchen, einst Herrn über Könige und Kaiser, sind zum Hilfsinstitut für Seelenhygiene herabgestürzt. Ihre Dome wurden zu Touristenattraktionen, ihre Prediger zu Showmastern, ihr Papst zum österlichen Grußaugust. Und doch scheint Gott sich als sentimentales Andenken an frommere Tage pudelwohl zu fühlen. Widerlegt, erledigt und entmachtet, hat sich die Religion mit ihrem Sturz nicht bloß arrangiert, sondern daraus neue Kraft geschöpft. Als bloße Privatangelegenheit darf sie sich ungehemmt in Fragen des Fickens, des Sterbens und der Kindererziehung austoben.
Spätestens seit dem weltweiten Erfolg der islamischen Glaubensoffensive gelten auch im Westen »religiöse Gefühle« wieder als schützenswertes Gut. Hauptsache, es wird geglaubt, und sei es an Djihad, Scharia und Frauenhass. Wer sein Herz nicht für eingeborene Kulte entdeckt, lässt sich buddhistisch erleuchten und jubelt einem abgesetzten tibetanischen Feudalherrn zu. Aus dem zwanghaften Drang, an irgendetwas zu glauben, spricht freilich nichts als der Wunsch nach einem Halt, egal woran: das Verlangen nach unbedingter Autorität. Adorno nannte derartige Pseudoreligiosität, die von Blasphemie kaum zu unterscheiden ist, den »ungeglaubten Glauben«.
Dessen Bedeutung verfehlen positivistische Religionskritiker wie Christopher Hitchens oder Richard Dawkins, die den Heiligen Schriften Fehler nachweisen und so Religion auf Priestertrug reduzieren. Sie kritisieren nicht die Unwahrheit der Religion, sondern deren Wahrheitsanspruch. Genau das also, was der Materialismus zu retten hätte – vor ungläubigen Pfaffen wie vor gläubigen Atheisten.
Lars Quadfasel ist assoziiert in der Hamburger Studienbibliothek und schreibt u. a. für konkret, Jungle World und das Bremer Extrablatt. Seine Aufsätze zu »Buffy the Vampire Slayer« erscheinen demnächst im Sammelband »Horror als Alltag« im Verbrecher Verlag.

fub in der Innenstadtmensa

Diese Woche wird die fub getanzt. Erscheinen Sie zahlreich!
mensaflyer
MENSAPARTY MINIMALKONSENS (18.11.)

DISCO – HOUSE – ELECTROSWING

LINEUP:

-> ein hertz für housemusik (schwarzweiss musik)

-> shooboo (schwarzweiss musik)

-> 959 Arne (morphclub classix)

-> mightymike (greenclub)

GIN & TONIC SPECIAL: 3 € (0,33l)

EINTRITT: 3 €

Kommen und auf feinste Musik tanzen!

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