Donnerstag, 14.06.2018: ULRICH CHAUSSY: Das Oktoberfest-Attentat. Wie die Verdrängung des Rechtsterrors begann

In der Endphase eines hitzigen Bundestagwahlkampfes detonierte am 26. September 1980 auf dem Oktoberfest am Eingang zur Theresienwiese eine Bombe. 13 Menschen starben, 211 Menschen wurden verletzt, mehr als 60 davon schwer. Schnell war klar, dass sich unter den Toten auch der Bombenleger befand: Gundolf Köhler, 21, ein aktiver Sympathisant der rechtsextremistischen Wehrsportgruppe Hoffmann. Als der Generalbundesanwalt die Ermittlungen im November 1982 einstellte, war aus dem bis dahin schwersten Terroranschlag in der Geschichte der BRD die Einzeltat eines jungen Mannes geworden, der aus unpolitischen, rein privaten Motiven eine Art erweiterten Selbstmordes beging. Im Vortrag wird gezeigt, wie und warum die Ermittlungen systematisch und beabsichtigt zu diesem – wie wir heute wissen – unhaltbaren Ergebnis führten: Die Mechanismen der Verdrängung und das Nicht-Wahr-Haben-Wollen der rechtsterroristischen Gefahr, die uns seit 2011 in der Aufarbeitung des NSU begegnen, waren bereits 1980 wirksam.

Ulrich Chaussy ist Buch- und Filmautor und war jahrzehntelang als Rundfunkjournalist für ARD und BR tätig. Seine Veröffentlichungen zum Oktoberfestattentat, insbesondere der Film „Der blinde Fleck“ haben zur Wiederaufnahme der Ermittlungen im Dezember 2014 beigetragen. Zuletzt ist sein Buch Rudi Dutschke. Die Biographie im Droemer-Verlag erschienen.

Donnerstag, 07.06.2018: TILMAN MÜLLER: »Für Führer und Prophet«. Islam und Nationalsozialismus

Die gemeinsame Geschichte von Nazis und Muslimen stellt trotz zahlreicher Belege einen blinden Fleck für den Aufarbeitungsweltmeister Deutschland dar. Deutlich wird dies, wenn der im Nahen Osten grassierende Antisemitismus als Resultat des israelisch-palästinensischen Konfliktes dargestellt wird und Vertreter_innen judenhassender Regimes diplomatisch und wirtschaftlich hofiert werden. Im Fokus steht der geschichtliche Moment, der als Geburtsstunde des programmatischen muslimischen Antisemitismus unter deutscher Ammenhilfe gelten kann. Ziel ist kein ideologischer Vergleich, sondern eine historische Darstellung, die zu Erklärungszwecken gelegentlich auf ideologische Aspekte zurückgreift.

Tilman Müller lebt seit 2016 in Bamberg, ist schon viel zu lang Bachelorstudent und hat sein Hauptfach Politikwissenschaft hauptsächlich deshalb gewählt, weil er sich das Interesse an Philosophie und Soziologie nicht durch akademische Verwurstung kaputtmachen lassen wollte.

Donnerstag, 17.05.2018: EIKE SANDERS: Kulturkampf und Gewissen. Die »Lebensschutz«-Bewegung

Die »Lebensschutz«-Bewegung will in die Offensive: Sie möchte nicht nur die Zugänge zu Schwangerschaftsabbrüchen erschweren, sondern führt auch einen Kulturkampf zur Retraditionalisierung der Geschlechter- und Familienverhältnisse, um christliche Moral und das ärztliche Gewissen. Sie ist Teil eines konservativen bis extrem rechten, in Teilen antidemokratischen Aufschwungs. In Kulturkampf und Gewissen. Medizinethische Strategien der »Lebensschutz«-Bewegung (Verbrecher Verlag 2018) analysieren Eike Sanders, Kirsten Achtelik und Ulli Jentsch die »Lebensschutz«-Bewegung, ihre Stärken, Schwächen und internen Widersprüche. Damit liefern sie das Material für eine kritische Auseinandersetzung mit den »Lebensschützern« – und die Grundlage für den nötigen Widerstand.

Eike Sanders ist Mitarbeiterin des Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin apabiz e.V., wo sie seit zehn Jahren zentral zu dem Thema extreme Rechte und Gender forscht, publiziert und Bildungsarbeit durchführt. Ihre Schwerpunkte sind die »Lebensschutz«-Bewegung, Antifeminismus sowie Rechtsterrorismus. Sie ist Mitglied im Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus. Zuletzt hat sie in der freien uni bamberg zur Rolle von Frauen im NSU-Netzwerk gesprochen.

Donnerstag, 10.05.2018. BETTINA WILPERT: »nichts, was uns passiert«. Romanlesung

Leipzig. Sommer. Universität, Fußball-WM und Volksküche. Gute Freunde. Eine Geburtstagsfeier. Anna sagt, sie wurde vergewaltigt. Jonas sagt, es war einvernehmlicher Geschlechtsverkehr. Aussage steht gegen Aussage. Nach zwei Monaten nah an der Verzweiflung zeigt Anna Jonas schließlich an, doch im Freundeskreis hängt bald das Wort »Falschbeschuldigung« in der Luft. Jonas’ und Annas Glaubwürdigkeit und ihre Freundschaften werden aufs Spiel gesetzt. Der Roman nichts, was uns passiert thematisiert, welchen Einfluss eine Vergewaltigung auf Opfer, Täter sowie das Umfeld hat und wie eine Gesellschaft mit sexueller Gewalt umgeht.

Bettina Wilpert lebt und arbeitet in Leipzig und schreibt über Kündigungen, Streiks oder psychische Krankheiten, u. a. für P.S. Politisch Schreiben, testcard und Outside the Box. Ihr Debütroman nichts, was uns passiert ist im Februar 2018 im Verbrecher Verlag erschienen.

In Kooperation mit »Literatur in der Universität«

Gefördert von der Neueren deutschen Literaturwissenschaft der Otto-Friedrich-Universität Bamberg

 

Donnerstag, 03.05.2018: SIMON DUDEK: »Heimat« in Zeiten der Krise

Die meisten Millenials kamen biographisch zweimal mit dem Begriff »Heimat« in Berührung. In der Kindheit waren es die Großeltern ostpreußischer, schlesischer oder sudetendeutscher Abstammung, die ihrer verlorenen Heimat hinterher trauerten. In ihrer Gegenwart wiederum bezieht sich eine diffuse Mischung aus Spiegel-Redakteur_innen, nationalistischen Mörderbanden, Identitären und Cem Özdemir ganz selbstverständlich und positiv auf sie. Im langen Marsch durch die Institutionen ist die Steinbachisierung der Gesellschaft mittlerweile auf der ministeriellen Ebene angekommen. Auf das bayerische folgt das bundesrepublikanische Heimatministerium. Spätestens an dieser Stelle stellt sich die Frage, warum ein derart schwammiger Begriff eine solche Konjunktur erlebt. Der Vortrag möchte, ausgehend von der Diagnose einer multiplen Krise (seit 2007), seinem ideologischen Gehalt auf den Grund gehen.

Simon Dudek ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Geographie einer bayerischen Universität.

Donnerstag, 26.04.2018: HENNING FISCHER: Die überlebenden Frauen von Ravensbrück

Ende April 1945 wurde das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück bei Berlin von der Roten Armee befreit. Einige der Überlebenden, meist Kommunistinnen, die in der Weimarer Republik politisch sozialisiert worden waren, gründeten unmittelbar nach der Befreiung eine Lagergemeinschaft als sozialen und politischen Verband. Gegen viele Schwierigkeiten führten sie ihn in DDR sowie BRD und bis in die 2000er Jahre hinein fort. Sie verfolgten eigenständige politische Ziele und wurden damit zu Akteurinnen ihres eigenen Lebens und der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Diese Geschichte wird anhand eines Bilder-Vortrags vorgestellt werden.

Henning Fischer lebt in Berlin, hat dort u. a. Geschichtswissenschaften studiert und 2017 zum Thema »Überlebende als Akteurinnen« promoviert. Er ist außerdem Teil des AutorInnenkollektivs Loukanikos, das sich mit der Kritik der Geschichtspolitik beschäftigt.

Donnerstag, 19.04.2018: MATTHIAS ZWACK: Titoismus. Theorie und Praxis des Selbstverwaltungssozialismus in Jugoslawien

Das ehemalige Jugoslawien wird heute vor allem mit gutem Essen und schönen Stränden in Verbindung gebracht. Fast ein halbes Jahrhundert lang stand das Land jedoch für einen Sozialismus der Weltoffenheit, der individuellen Freiheit und der echten sozialen, politischen sowie wirtschaftlichen Teilhabe. Der jugoslawische Weg beruhte auf einem historischen Bruch mit der Sowjetunion. Er war jedoch alles andere als widerspruchsfrei. Dem emanzipatorischen Anspruch stand die Herrschaft einer Einheitspartei gegenüber. Der Vortrag möchte dieses Kapitel der realsozialistischen Geschichte beleuchten. Im Zentrum steht dabei das Verhältnis autoritärer und antiautoritärer Tendenzen, die nebeneinander bestanden und sich gegenseitig ergänzten. War der Autoritarismus Relikt des Stalinismus oder brachte das Selbstverwaltungssystem seinen eigenen, spezifischen Autoritarismus hervor? Und welchen Anteil hatte all das am jugoslawischen Zerfall und den sich anschließenden Bürgerkriegen? Die Fragen, die das jugoslawische Modell aufwirft, sind für die emanzipatorische Theorie und Praxis der Gegenwart noch immer relevant.

Matthias Zwack ist Historiker, lebt in München und wühlt im Trümmerhaufen der Vergangenheit auf der Suche nach einer besseren Zukunft.

Freitag, 19.01.2018: STEFFI NEUMANN: Feminismus von Rechts? Oder: Sexismuskritischer Nationalismus

Die Vorstellung von rechtsextremen Frauen war lange vom alten Bild der stolzen deutschen Mutter geprägt, die sich der Reproduktion widmet und ihrem Mann »den Rücken frei hält«. Doch inzwischen erscheinen immer mehr politisch aktive Frauen an der Spitze rechter Parteien, Vereine und Kameradschaften: Frauen, die ihre Stimmen über die der Männer erheben und in den patriarchalen Strukturen der Szene oftmals geachtet werden; die für sich das gleiche Recht auf politische Äußerungen und Gewaltausübung in Anspruch nehmen und sich innerhalb der Szene gemeinsam organisieren. So verkündete beispielsweise der Mädelring Thüringen, eine Frauengruppe innerhalb der Neonazi-Kameradschaftszene: »Deutsche Frauen wehret euch – gegen das Patriarchat und politische Unmündigkeit! Nationaler Feminismus voran!« Doch inwiefern ist eine recht(sextrem)e Ideologie mit emanzipatorischem Feminismus vereinbar?

Steffi Neumann hat viele Semester ergebnislos studiert und befindet sich inzwischen in einer sozialpädagogischen Ausbildung. Sofern sie sich nicht im Zuge ihrer Lohnarbeit mit Kindern beschäftigt, arbeitet sie in antifaschistischen und emanzipatorischen Zusammenhängen und ist Teil der Freien Uni Bamberg.

Freitag, 12.02.2018: HENDRIKE HELLMANN: Versöhnung mit der Wirklichkeit? Über Hannah Arendts Versuch, den Totalitarismus zu verstehen.

Hannah Arendt hat einmal bemerkt, sie sei keine geborene Schriftstellerin, sondern durch Zufall dazu geworden. Der Zufall bzw. Unfall, der sie zum Schreiben brachte und zeitlebens beschäftigt hat, wären jene »extraordinary events of this century« gewesen, die mit dem Aufkommen des Totalitarismus einhergingen. Offenbar konnte sie gar nicht anders, als den Versuch zu unternehmen, das Phänomen der totalitären Herrschaft zu untersuchen und zu verstehen. Ihr Begriff des »Verstehens« hat eine existenzielle Bedeutung, wovon ihr Essay Understanding and Politics Zeugnis ablegt. Dort beschreibt Arendt Verstehen als charakteristisch menschliche, unabschließbare Tätigkeit, durch die der Mensch sich mit der Wirklichkeit versöhnt. Aber geht das überhaupt zusammen: Totalitarismus und Versöhnung? – Der Vortrag möchte Arendts Konzept des Verstehens vorstellen und fragen, welchen Gewinn es im Umgang mit der totalitären Vergangenheit abwirft.

Hendrike Hellmann hat in Bamberg und Tallinn Philosophie studiert und sich im Rahmen ihrer Masterarbeit mit Hannah Arendt beschäftigt. Dass sie nach dieser langen und entbehrungsreichen Schreibphase immer noch bereit ist, sich mit der Philosophin auseinanderzusetzen, legt nahe, dass sie an einem Stockholm-Syndrom leidet.

Donnerstag, 21.12.2017: STEFAN DIETL: »Blame the System!«. Kleine Einführung in die Kapitalismuskritik

Für die einen »gibt es kein System, das die Armut schneller beseitigt« (Wirtschaftswoche), und sind sich daher sicher, dass er »alternativlos ist und bleibt« (Die Welt). Für die anderen »ist der Kapitalismus gescheitert« (attac) und die »Idee des Kapitalismus tot« (Michael Moore). Wieder andere stellen fest, dass »der Kapitalismus so quicklebendig ist wie nie« (Spiegel). Doch was ist eigentlich dieser Kapitalismus, von dem alle reden? Welche historischen und sozialen Rahmenbedingungen kennzeichnen die kapitalistische Produktionsweise, und wie kann eine emanzipatorische Kritik an den bestehenden Verhältnissen aussehen? Der Vortrag stellt einige grundlegende Vorstellungen der Marx’schen Kritik der politischen Ökonomie vor. Dabei wird er sich auch mit den regressiven Vorstellungen einiger »Kapitalismuskritiker_innen« beschäftigen und der Frage nachgehen, ob und wie eine emanzipatorische Aufhebung der kapitalistischen Verhältnisse möglich ist.

Stefan Dietl ist ehrenamtlich bei ver.di aktiv und schreibt regelmäßig zu sozial- und wirtschaftspolitischen Themen, u. a. für die jungle world. 2017 ist sein Buch Die AfD und die soziale Frage im Unrast Verlag erschienen.

Donnerstag, 14.12.2017: CHRIS W. WILPERT: Buffy als Massenbetrug? Kulturindustrie und Kulturkritikindustrie

2017 ist ein Jahr denkwürdiger Jubiläen: 20 Jahre sind seit Ausstrahlung der ersten Staffel von Buffy – The Vampire Slayer vergangen. Vor 70 Jahren ist die Dialektik der Aufklärung von Adorno und Horkheimer erstmals erschienen. Das darin enthaltene Kulturindustrie-Kapitel mit dem Untertitel »Aufklärung als Massenbetrug« gilt es kritisch zu würdigen. Über Buffy gibt es dabei nicht viel zu sagen. Sie ist unzweifelhaft die beste Serie. Aufgrund ihres gesellschaftskritischen Gehalts gab sie Anstoß zu der akademischen und popkritischen Rezeption, die als so genannte Buffy Studies firmiert. Inzwischen werden zu jeder Serie Massen an vermeintlicher Kulturkritik produziert. Diese ist meist ebenso langweilig, wie sie krampfhaft überall fundamentale Gesellschaftskritik zu erkennen meint. Die Kulturindustrie hat dabei unweigerlich eine eigene Kulturkritikindustrie mit hervorgebracht. Diese verwässert jedoch den Begriff einer emanzipatorischen Kulturkritik. Der Vortrag will nicht nerdig bloß Buffy-Fantum zur Schau stellen. Stattdessen soll er in die Geschichte und den Begriff der Kulturindustrie einführen und zugleich die Möglichkeiten und Grenzen einer emanzipatorischen Kulturkritik als radikale Gesellschaftskritik ausloten. Ein Kampf, der so aussichtslos scheint wie der von Buffy.

Chris W. Wilpert schreibt u. a. über Thomas Harlan, Battlestar Galactica und Hipster_innen und ist Teil der Freien Uni Bamberg.

Donnerstag, 07.12.2017: MARKUS BAUMGART: Das japanische Feedback. Japanische Popkultur im Kontext der Amerikanisierung nach dem Zweiten Weltkrieg

 

Als eine der so genannten Achsenmächte im Zweiten Weltkrieg wurde die japanische Popkultur nach 1945 – ähnlich der deutschen – durch die amerikanische Besatzungszeit geprägt. Zwar gab es schon vorher Anleihen, aber erst mit den GIs kam in den Jahren der Okkupation westliche Popmusik nach Japan, die vor allem die Jugendlichen ansprach. Von den 1950ern bis in die 1970er entspannen sich dort exemplarische Diskurse zur Populärkultur: die Übernahme des internationalen Pop versus die Reaktivierung traditioneller Genres; die entgrenzte versus die nationale Identität; englische versus japanische Songtexte. Der Vortrag möchte die japanische Poprezeption chronologisch anhand von Ton- und Bildbeispielen bis in die späten 1970er nachvollziehen, als das Yellow Magic Orchestra dann erstmals den Versuch unternahm, eine zeitgemäße kosmopolitische Musik zu erschaffen.

Markus Baumgart hat in Tübingen Empirische Kulturwissenschaft und Kunstgeschichte studiert. Neben seinem Brotjob in einem Verlag ist er als Schallplattenunterhalter, Veranstalter und mit Vorträgen zu exotischen Popkultur-Themen unterwegs.

Donnerstag, 30.11.2017: OLIVER LAUENSTEIN (No) Future?! – Utopie, Dystopie, Apokalypse: Zukunftsfiktionen im Spiegel der Krise

In der Renaissance wurde noch an Utopia und Sonnenstaat geglaubt. Serien und Filme der 1960er und 1970er erzählten von fliegenden Autos und technologischer Vollkommenheit. Heute findet sich hingegen kaum noch eine ernstzunehmende Utopie. Ihr Negativbild – die autoritär-technokratische Zukunftsgesellschaft – scheint oftmals bereits umgesetzt. Unser medial durchdrungener, überwachter Alltag, die Selbstkontrolle als Humanressource, esoterische Erklärungsmuster und die individuelle, psychopharmakologische Feinjustierung zeigen, dass 1984, Fahrenheit 451 und die Brave New World keine düsteren Fantasien, sondern gelungene Prognosen darstellen. Der Vortrag will der Frage nachgehen, inwieweit sich aktuelle Phänomene wie die Lust an der Apokalypse und das Revival des Zombiefilms als Ausdruck des gegenwärtigen Gesellschaftszustands deuten lassen.

Oliver Lauenstein ist Sozialpsychologe und Hobbytheoretiker; ehemals im Universitätsbetrieb tätig arbeitet er mittlerweile als Vollzeitbürokrat.

Donnerstag, 23.11.2017: KIRSTEN ACHTELIK: Selbstbestimmte Norm. Feminismus, Pränataldiagnostik, Abtreibung

Sollen Feministinnen jede Art von Abtreibung verteidigen? Können diesbezügliche Entscheidungen überhaupt selbstbestimmt getroffen werden? Welches Wissen entsteht durch pränatale Untersuchungen? Dienen sie der Vorsorge oder sind sie behindertenfeindlich? Der Vortrag lotet das Spannungsfeld zwischen den emanzipatorischen und systemerhaltenden Potenzialen des feministischen Konzepts der Selbstbestimmung in Bezug auf Abtreibung aus und nimmt Bezug auf aktuelle Debatten um reproduktive Rechte, die mit den zunehmenden Aktivitäten von »Lebensschützern« wieder aufflammen. Zugleich geht es darum, die Gemeinsamkeiten und Konflikte der Frauen- und der Behindertenbewegung sowie die inhaltlichen Differenzen zwischen Frauen mit und ohne Behinderung deutlich zu machen. Und um die dringend zu klärende Frage, wie ein nicht-selektives und nicht-individualisiertes Konzept von Selbstbestimmung gedacht und umgesetzt werden kann.

Kirsten Achtelik ist Diplom-Sozialwissenschaftlerin und lebt als freie Journalistin und Autorin in Berlin. Sie ist politisch an den Schnittstellen der feministischen, der antikapitalistischen und der Behindertenbewegung aktiv.

Donnerstag, 16.11.2017: MIRA LANDWEHR: Veganismus in der Krise? Querfrontaktivisten und Rechte für Tiere

Der Veganismus hat ein Problem: seine Popularität und seine neurechten Anhänger_innen. Der Verschwörungsideologe Ken Jebsen verkündet stolz, »Vollveganer« zu sein, und der Rechtsesoteriker Rüdiger Dahlke wirft jedes Jahr ein veganes »Peace Food«-Kochbuch auf den Markt. In einer Lebenswelt, die als unübersichtlich und chaotisch wahrgenommen wird und in der der Einzelne nichts mehr zu zählen scheint, verspricht das Label »alternativ« einen sicheren Rückzugsort und die Rückgewinnung von Selbstbestimmtheit. Alternative Lebensweisen und Weltanschauungen grenzen sich daher vor allem ab: Veganer_innen von Fleischesser_innen und von Vegetarier_innen, die Alternativmedizin von der kriminellen Pharmaindustrie und die Reichsbürger_innen vom Staat. Das wirft die Frage nach dem richtigen Veganismus im Falschen auf: Wie müsste er beschaffen sein, um immun gegen menschenfeindliches Gedankengut und eine Hauptsache-für-die-Tiere-Ideologie zu sein?

Mira Landwehr ist Historikerin und lebt inkonsequent vegan in Hamburg.

 

Donnerstag, 09.11.2017: STEPHANIE SCHMIDT: Ausnahmezustand und Gewalt. Polizei und polizeiliches Handeln beim G20

Im Juli 2017 hat Hamburg beim G20-Gipfel einen der größten Polizeieinsätze seiner Geschichte erlebt. In der Aufarbeitung rückte auch die Rolle der Polizei ins mediale und gesellschaftliche Interesse. Die Situationen, in denen es zu Gewaltanwendungen durch die Polizei kam, wurden dabei als »Ausnahmesituationen« markiert. Die Regelmäßigkeit, mit der Grundrechtsverstöße von Polizist_innen begangen werden, spricht jedoch dafür, dass der Ausnahmezustand im polizeilichen Handeln bereits angelegt ist. Der Vortrag wird diskutieren, was dies im konkreten Polizeialltag bedeutet und welche Rolle die Gewalt speziell beim G20-Gipfel eingenommen hat.

Stephanie Schmidt ist Kulturanthropologin und freie Referentin. Sie ist Doktorandin an der FSU Jena und beschäftigt sich mit polizeilichen Lebenswelten und der Rolle von Aggressionsaffekten in der Polizei.

Donnerstag, 26.10.2017: CAROLINE A. SOSAT: Beißreflexe. Die betroffenheitsfeministische Dynamik

In queerfeministischen Communities, wie überall in der linken Szene, werden regelmäßig Menschen isoliert, bedrängt oder Opfer von Rufmord. Die zugrunde liegende Dynamik muss streng vom explizit begründ- und überprüfbaren Ausschluss einer Person unterschieden werden. Sie entfaltet sich plötzlich, scheinbar ungeplant, auf den ersten Blick irrational und spontan. Besonders häufig geschieht dies in der queeren Szenen. »Betroffenheitsfeministische« Gruppen sind besonders anfällig dafür. Ihre Handlungsweisen stehen im Widerspruch zu ihren eigenen politischen Prinzipien: dem Kampf gegen Ungerechtigkeit und Gewalt. Im Vortrag sollen die Bedingungen und Gründe diskutiert werden, warum betroffenheitsfeministische Gruppen dieses Ausschlussverhalten zeigen, statt als politische Subjekte den Streit zu suchen. Außerdem soll erörtert werden, was das mit einer Politik zu tun hat, die sich primär auf Identitätskategorien und Betroffenheit beruft.

 Caroline A. Sosat hat Psychologie und Soziologie studiert. Als Politnerd, Psychologin, Kampfsportlerin und Feministin versucht sie, eine Sprache für das zu finden, was nicht gesagt werden darf.

Ort: Balthasar, Balthasargäßchen 1

(zwischen Schranne und Kaulberg)

Beginn: 20:00

Eintritt: frei

Donnerstag, 19.10.2017: LUTZ EICHLER: Die politische Psychologie des Antisemitismus

Die Mehrheit der Deutschen ist der Meinung, Juden hätten an der Wall Street zu viel Einfluss. Warum wollen oder müssen sie so etwas glauben? Warum schreiben sie »Juden« eine derart prominente negative Rolle zu? Der Vortrag möchte den Zusammenhang von Gesellschaft, Psychologie und Antisemitismus erläutern und zeigen, auf welche Weise unangenehme Gefühle wie Angst, Hass, Einsamkeit und Selbstzweifel auf »Juden« übertragen werden.

Lutz Eichler macht zurzeit eine Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten.

Ort: Balthasar, Balthasargäßchen 1

(zwischen Schranne und Kaulberg)

Beginn: 20:00

Eintritt: frei

Donnerstag, 06.07.2017: EVI TRUMMER: Orange is the New Black. US-Gefängnisse in der Tradition der Sklaverei

Die netflix-Serie »Orange ist the New Black« avancierte in den letzten Jahren zur feministischen Klassikerin. Der fiktive Frauen*knast irgendwo in den USA zeigt so viele unterschiedliche und vielschichtige Frauen*charaktere wie keine Serie zuvor. Zu sehen sind Frauen* aller Körperformen, Altersklassen, Hautfarben, Lebens- und Liebeslagen in komplexen Charakterzeichnungen. Die Darstellung des Knastlebens hat aber auch eine sehr reale Komponente – dargestellt wird ein Justizvollzug, der nicht das Ziel der Rehabilitation hat, sondern dem Selbsterhalt des Systems dient. Die gedemütigten Insassinnen*, deren Arbeitskraft ausgebeutet wird; das Grauen der Isolationshaft; die sozialen Hintergründe, die zur Haft führen – all das verdeutlicht, wie die Mechanismen der Sklaverei unter dem Deckmantel des Strafvollzugs weiterleben. Die in Europa sowie den USA kaum medial wahrgenommen Gefängnisstreiks im September 2016 waren Ausdruck dieser Verhältnisse. Durch Arbeitsniederlegung und Hungerstreiks protestierten Inhaftierte und Personal gegen die Missstände in US-Gefängnissen.

Evi Trummer stammt aus Franken und ist nach Aufenthalten in Großbritannien, Wien und Leipzig nun wieder zurückgekehrt. Sie ist Lehrerin, kann die feministische Brille nicht mehr ablegen und ist nur noch mit Panda Videos zu beruhigen.

Freitag, 30.06.2017: ROBERT ZIEGELMANN: »Das Herz in Ketten gelegt«. Der Protestantismus und die Dialektik der Verinnerlichung

»Luther hat allerdings die Knechtschaft aus Devotion besiegt, weil er die Knechtschaft aus Überzeugung an ihre Stelle gesetzt hat«. So bringt Marx die bis heute gültige Kritik am Protestantismus auf den Punkt. Die strikte Verinnerlichung religiöser Gebote kann als spezifisch protestantischer Beitrag nicht nur zum modernen Autoritarismus, sondern auch zum Antisemitismus betrachtet werden. Anlässlich des allgegenwärtigen Reformationsjubiläums ist diese Kritik einerseits zu bekräftigen: Die protestantische Dynamik von Schuldbewusstsein und Strafbedürfnis hat eine Affinität zum Nationalsozialismus, wo nicht primär im Affekt oder auf Befehl gemordet wurde, sondern planvoll und aus innerer Überzeugung. Ebenso aktuell ist aber, was Marx dem obigen Satz anfügt: »wenn der Protestantismus nicht die wahre Lösung war, so war er die wahre Stellung der Aufgabe«.

Robert Ziegelmann lebt in Frankfurt, lehrt in Heidelberg und promoviert in Philosophie. Schwerpunkt seines Interesses ist die Kritische Theorie in ihrem Verhältnis zur Religion und zur klassischen deutschen Philosophie.

Donnerstag, 22.06.2017: SIMON DUDEK / THOMAS MÜLLER: Ihr wollt Fußball so wie früher? Kritik der politischen Ökonomie des postmodernen Fußballs

Anfang 2017 riefen die Ultras von Borussia Dortmund anlässlich eines Heimspiels gegen den RB Leipzig zur »Bullenjagd« auf. Anhänger_innen der gegnerischen Mannschaft wurden mit Steinen und Pyrotechnik attackiert. In der BVB-Fankurve waren Spruchbänder wie »Für den Volkssport Fußball – gegen die die ihn zerstören« zu sehen. In all dem erkennen wir eine Verzweiflung angesichts der spätkapitalistischen Vergesellschaftung, die in ihrer Regression eines konkreten Stellvertreters bedarf. Im Vortrag soll ihr eine historisch-materialistische Analyse des Profi-Fußballs entgegenstellt werden. Insbesondere soll dabei auf die Zeitschrift 11Freunde eingegangen werden, die sich die Wahrung des »echten Fußballs« auf die Fahnen geschrieben hat.

Simon Dudek war lange Jahre Sturmtank des Fußballteams der Freien Uni Bamberg. Thomas Müller galt als vielversprechendster Jugendspieler mit dem Namen Thomas Müller, entdeckte dann aber Bier für sich und ließ daher Thomas Müller den Vortritt.

Donnerstag, 08.06.2017: RAFAEL SELIG: German Gedenken

»So Nazi war unser Zoo«, titelt der Berliner Boulevard im Dezember 2016, und nicht nur die Großstadtpresse musste feststellen, dass auch altehrwürdige Einrichtungen wie der Berliner Zoo eine nationalsozialistische Vergangenheit haben. 1938 zwangen die Nazis die 1.500 jüdischen Zoo-Aktionär_innen, ihre Anteile billig zu verkaufen. In der bundesdeutschen Hauptstadt wurde diese Enteignung bisher nicht öffentlich zur Kenntnis genommen. Aufgrund der Recherchen der Historikerin Monika Schmidt hat der Zoodirektor nun versprochen, sich der »dunklen Seite der Geschichte« zu stellen, und der Berliner Senat hat eine sechsstellige Summe für die Wiedergutmachung bewilligt, allerdings nicht zur finanziellen Entschädigung, sondern für eine Ausstellung sowie ein »Fellowshipprogramm zur Stärkung des wissenschaftlichen Austausches zwischen Deutschland und Israel«, weil »im Zentrum der Wiedergutmachung […] heute nicht individuelle Restitution, sondern öffentliche Aufarbeitung und Erinnerungsarbeit« stünde. Diese Erklärung des Senats trifft den Kern des »German Gedenkens«. Als Vergangenheitsbewältigungsweltmeister kennt Deutschland die Opfer des Nationalsozialismus nur als Ausstellungsstücke, die von den Täter_innen arrangiert werden, um als geläuterte Sünder_innen den moralischen Mehrwert abzuschöpfen.

Rafael Selig ist Student der Geschichtswissenschaften und in verschiedenen Initiativen aktiv, die sich mit der aktuellen deutschen Gedenkpolitik beschäftigen.

 

Donnerstag, 18.05.2017: CHRIS W. WILPERT / ROBERT ZWARG: Destruktive Charaktere. Hipster und andere Krisenphänomene

Als das deutsche Feuilleton vor einigen Jahren den »Hipster« entdeckte, schien es, als hätten sich alle Entwicklungstendenzen und Charakteristika der Gegenwart in einem einzigen Sozialtypus verdichtet. Niemand wollte Hipster sein, doch alle wussten ihn zu erkennen: Ausstaffiert mit den typischen modischen Accessoires, omnipräsent in der virtuellen Welt von tumblr und facebook, gefürchtet und gehasst in Szeneklubs und -vierteln, wurde der Hipster zum bevorzugten Objekt von Analyse und Spott. Er galt als der destruktive Charakter par excellence. Inzwischen haben sich Phänomen und Diskurs weitgehend entkoppelt. Das Erscheinungsbild des Hipsters ist ins Allgemeinwissen übergegangen, und der Spott über ihn ist so unmittelbar abrufbar wie leidenschaftslos geworden. Bloß für sich genommen wäre der Hipster keine Vorträge mehr wert. Als überraschend beharrliches Symptom eignet er sich jedoch als Ausgangspunkt einer kritischen Analyse jener Ideologien und kulturellen Verwerfungen, die ihn beständig hervorbringen und die weit über ihn hinaus wirksam sind. Die anhaltende Auflösung vormaliger Analyse- und Ordnungskategorien wie Klasse, Geschlecht und Geschichte sowie die Umbrüche im Bereich der Öffentlichkeit, der Kultur und der Wissensproduktion manifestieren sich auch in anderen, neuen Sozialtypen. Hipster sind ein Krisenphänomen, das auf die Veränderung der Arbeitsverhältnisse, die Erosion des Bürgertums, die Verschiebung geschlechtlicher Identitäten, die Krise der Kunst und der politischen Urteilskraft reagieren.

Chris W. Wilpert ist Literaturwissenschaftler, Robert Zwarg ist Philosoph. Gemeinsam haben sie in der Zwergobst-Reihe des Ventil Verlags den Sammelband Destruktive Charaktere veröffentlicht.

DONNERSTAG, 11.05.2017: OLE NICKEL: Kritik der pseudomedizinischen Ideologie

Egal ob Traditionelle Chinesische Medizin, Homöopathie, »Miracle Mineral Supplement«, Germanische Neue Medizin oder anderes: Der Markt abseits der wissenschaftlichen Medizin bietet eine schier unendliche Fülle an alternativen Heilmethoden. Was aber reizt eine immer größere Zahl an Menschen an dieser meist wirkungslosen, oft schädlichen Pseudomedizin? Was bringt selbst studierte Ärzte dazu, an eine »Impf-Lüge« zu glauben? Der Vortrag möchte ausgewählte pseudomedizinische Methoden vorstellen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausarbeiten und den Versuch einer ideologiekritischen Deutung unternehmen.

Ole Nickel studiert Medizin an der Universität Würzburg und war längere Zeit in Krankenpflege und Rettungsdienst tätig. In seiner Freizeit beschäftigt er sich mit Kritischer Theorie und Kommunismus.

Ort: Balthasar, Balthasargäßchen 1 (zwischen Schranne und Kaulberg)

Beginn: 20:00

Eintritt: frei

DONNERSTAG, 27.04.2017: DAN H.: Young Soul Rebels. Die Verflechtung von Ideologie und Unterhaltungsmusik

Dem Begriff der »Seele« haftet immer etwas Mythisches an. Eine Musikrichtung, die den empathischen Namen »Soul« trägt, ist damit vielleicht prädestiniert gewesen, in vielerlei Hinsicht und in vielen Fällen Trägerin eines falschen Bewusstseins zu werden – wenn Hollywood als »Fabrik der Träume« bezeichnet wird, dann war Hitsville USA die Ideologiefabrik: von der Beschäftigung mit Rassismus, der Rolle für die Bürgerrechtsbewegung der 1960er, über die bereits immer vorhandene, aber in den 1970ern besonders betonte, schwarze Identitätspolitik, bis hin zum Hedonismus der Disco-Ära, der aufgrund der Bedingungen im globalen Kapitalismus nicht anders konnte, als zu einer Form der Betäubung zu werden.

Trotz alledem ist Soul in ihrem Facettenreichtum eine der bedeutendsten und prägendsten Richtungen internationaler Musik. Sie hat Plattenfirmen wie Motown und Stax Records Milliarden eingebracht und ein Milliardenpublikum inspiriert. Dieser Vortrag soll einen Einblick in die Welt der wohl schönsten Flucht ins Private geben.

Dan H. ist Student, Mitglied bei der Hochschulgruppe SPME der Universität Potsdam, leidenschaftlicher Soul-Fan und DJ. In Kooperation mit Soulshakers Bamberg – weekender #12

Ort: Balthasar, Balthasargäßchen 1

(zwischen Schranne und Kaulberg)

Beginn: 20:00

Eintritt: frei

 

Donnerstag, 02.02.2017: FREDERIK WILHELMI: Bad Moms Rising Eltern, Kinder, Risiko

02 02 WILHELMI

Wenn es um Kinder geht, haben die meisten Menschen Angst, etwas falsch zu machen. Gleichzeitig maßen sich viele Leute an, die Elternschaft anderer von der Empfängnis an kontrollieren und bewerten zu wollen. Obwohl westliche Länder nach allen möglichen Indizes sicherer, das Essen gesünder und Schulen immer besser werden, scheint die Angst um das Wohlbefinden der Kinder zu wachsen. Die irrationale Bewertung von Risiken vermischt sich mit moralischen Urteilen über Eltern, insbesondere über Mütter. Sie stehen im Kontext von Gleichberechtigung, Angst um den sozio-ökomischen Status und Elternschaft als Performance. Der Vortrag wird die Geschichte und die moderne Entwicklung des Phänomens »Elternangst« sowie ihre gesellschaftlichen Ursachen und Ergebnisse betrachten. Im Zentrum steht die Frage: Was sind die praktischen und prinzipiellen Grenzen des Kinderschutzes?

Frederik Wilhelmi arbeitet seit 2014 an einer Promotion zum Thema Kinderrechte. Er würde gerne mehr Gifs mit Baby-Ottern und/oder Roten Pandas geschickt bekommen.

Donnerstag, 26.01.2017: SEBASTIAN BAUER: Die Wiedergeburt des Rassenantisemitismus aus dem Geiste des Poststrukturalismus

27 01 BAUER

Seit einigen Monaten mehren sich Beiträge (zuletzt v. a. in der Jungle World), die sich kritisch mit Critical Whiteness auseinandersetzen. Ein üblicher Einwand gegen sie besteht darin, die praktischen Auswüchse als Verzerrung eines an sich emanzipativen Ansatzes von diesem abzuspalten. Bestimmte Praktiken Critical Whiteness inspirierter Gruppen hätten in dieser Lesart nichts mit der zugrunde liegenden Theorie zu tun. In dieser Form der Krisendiplomatie bleibt jedoch eine grundsätzliche Kritik unberücksichtigt, wodurch sich dann auch die Auseinandersetzung mit der unschönen Praxis erledigt hat. Am Umgang der Weißseinskritischen mit Kritik zeigt sich eine wichtige diskursive Funktion der Critical Whiteness: die Selbstimmunisierung gegen Kritik von außen, die Hand in Hand geht mit Formen autoritärer Disziplinierung nach innen. Beides macht Critical Whiteness zum Instrument für regressive Ideologien innerhalb der Linken. Aktuelle Vorfälle in Mainz und Köln können den Blick dafür schärfen, inwieweit Critical Whiteness als Türöffnerideologie fungiert.

Sebastian Bauer ist autonomer Referent im AStA der Universität Mainz, engagiert sich gegen Antisemitismus an deutschen Hochschulen und referiert sonst zum strukturellen Antisemitismus der antifeministischen Männerrechtsbewegung.

Donnerstag, 19.01.2017: DOMINIK NEUMANN: Kostenloses Lehrmaterial aus dem Internet: Marktsichtung und empirische Nutzungsanalyse

19 01 NEUMANN

Bildungsmedien sind das Rückgrat des Unterrichts, daran hat auch die Digitalisierung nichts geändert. Allerdings hat sie die Arten und Formen, in denen Lehrmittel vorliegen, den aktuellen Entwicklungen angenähert. Kostenloses Lehrmaterial aus dem Internet sowie der digitale Lehrmittelmarkt müssen untersucht, diskutiert und in die Debatte um Open Educational Resources eingebettet werden, auch weil das meiste Online-Lehrmaterial dessen definitorische Kriterien nicht erfüllen kann. Lehrmittel haben eine politische Dimension. Dies bedeutet auch, dass die Wirkungen kostenloser digitaler Lehrmaterial auf den Lehrmittelmarkt und damit auf das Bildungssystem analysiert werden müssen.

 

Dr. Dominik Neumann arbeitet im Rahmen der »Qualitätsoffensive Lehrerbildung« als Projektkoordinator für den Kompetenzbereich C (Bildungsmedien) am Lehrstuhl für Pädagogik an der Universität Augsburg.

Donnerstag, 12.01.2017: Lasse Peschka: Trans*Identitäten – Selbst- und Fremdzuschreibung

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Trans*-Personen berichten von zahlreichen Momenten in ihrem Alltag, in denen die Geschlechtsidentität für sie selbst und für ihre Umwelt eine große Rolle spielt. Erfahrungen, die so gemacht werden, wirken durch soziale und psychologische Prozesse auf die Identität und die Art, wie sie ausgelebt wird. Das Wechselspiel zwischen beiden äußert sich auch in der therapeutischen Praxis mit Trans*-Personen. Sie versucht, die Identität nicht zu pathologisieren, obwohl diese doch im Fokus der Therapie seht.

Lasse Peschka studiert Psychologie in Bamberg, hat zwei Monate als Praktikant in der Sprechstunde für Geschlechtervarianz des Unispitals Basel verbracht und dort seine Abschlussarbeit über das Wechselspiel zwischen den sozialen und den psychologischen Prozessen der Geschlechtsidentität geschrieben.

Ort: Balthasar, Balthasargäßchen 1
(zwischen Schranne und Kaulberg)
Beginn: 20:00
Eintritt: frei

Freitag, 02.12.2016: NAIDA PINTUL: Zur Kritik der Prostitution – in Theorie und Praxis

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Prostitution kann zu Recht als eines der Goldenen Kälber des Feminismus bezeichnet werden: Kaum ein Thema erzeugt innerhalb feministischer Kreise so viele, teils erbittert geführte Kontroversen. Der liberale und queere Feminismus der Dritten Welle hat sich mittlerweile die Deutungshoheit erobert, Prostitution in »Sexarbeit« umbenannt und ihr empowerndes, gar emanzipatorisches Potential zugeschrieben. So heißt es, dass selbstbestimmte Sexarbeit mit dem Feminismus nicht nur vereinbar, sondern per se auch feministisch sei. Veranstaltungen wie die Ladyfeste lassen regelmäßig Frauen referieren, die das Narrativ der glücklichen Sexarbeiterin bedienen, in aller Regel in individualistisch-liberaler Manier. Was hier oft zu kurz kommt, ist jedoch zum einen die Frage, wie Prostitution in ihrer aktuellen Ausprägung gesellschaftlich ermöglicht wird, zum anderen sind es die Stimmen derjenigen Frauen in der Prostitution, die nicht das Narrativ vom »Job wie jeder andere« bedienen. Der Vortrag wird Prostitution vor dem Hintergrund patriarchaler Geschlechterverhältnisse aufrollen und ein Grundgerüst liefern, um diese Institution über individuelle Betroffenengeschichten hinaus zu analysieren.

 

Naida Pintul arbeitet ehrenamtlich in einer Beratungsstelle für Frauen in der Prostitution, versteht sich als antideutsche Radikalfeministin, hält Vorträge zu diversen feministischen Themen (zuletzt zu Rape Culture und Reproduktionsrechten) und verachtet als Anhängerin der Zweiten Welle die postmoderne Beliebigkeit.

DONNERSTAG, 24.11.2016: BENEDIKT FRANK: Mut zur Wirrheit Compact: das Krawallblatt wider die »Lügenpresse«

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Mit markigen Werbesprüchen inszeniert sich das Magazin Compact als Hort des »ehrlichen Journalismus in Zeiten der Lüge«. Nur hier stünde, »was andere nicht schreiben dürfen«. Die Redaktion stilisiert ihr Blatt als letzten Vertreter des unabhängigen Journalismus.

Anfangs war Compact nur eine publizistische Begleiterscheinung der »Montagsdemonstrationen für den Frieden«, bei denen Verschwörungstheoretiker_innen mit Friedensbewegten zusammentrafen. Heute ist es folgerichtig bei der AfD gelandet, mit der es sich den Slogan »Mut zur Wahrheit« teilt. Der Chefredakteur Jürgen Elsässer tritt als Redner bei Pegida-Veranstaltungen auf. Den Hass auf Flüchtlinge und »Lügenpresse« zu bedienen, scheint ein Erfolgsrezept zu sein: Nach eigenen Angaben werden monatlich etwa 36.000 Exemplare verkauft – Tendenz steigend. Aber wie arbeitet Compact? Und: Wie sieht ein Journalismus aus, der alle anderen der Lüge bezichtigt? Spoiler Warnung: »Mut zur Wirrheit« wäre vermutlich der bessere Claim …

 

Benedikt Frank ist Journalist und schreibt vor allem für die Süddeutsche Zeitung und Spiegel Online. Für BILDblog liest er regelmäßig Compact.

Donnerstag, 17.11.2016: EIKE SANDERS: Zur Rolle von Frauen im NSU-Netzwerk

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Rechtsterroristische Strukturen werden meist als männerbündische Kampfeinheiten verstanden – und nicht selten sind sie auch als solche konzipiert: Der entschlossene hypermaskuline Nationalsozialist befindet sich im »Rassenkrieg« und übt – alleine oder in einer Terrorzelle organisiert – den »bewaffneten Widerstand«, um eine nationalsozialistische Ordnung (wieder-)herzustellen und seine Frau und Kinder zu beschützen. Durch die Selbstenttarnung des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) ist mit Beate Zschäpe eine Täterin in den Fokus gerückt, an der sich Klischees über die Rolle von Frauen in der Naziszene zugleich brechen und reproduzieren. Es ist bekannt, dass sie selbst früher brutal zugetreten und zugeschlagen hat. Im Münchner Strafprozess inszeniert sie sich jedoch als unbeteiligt, unwissend und abhängig von den beiden Männern. Um den NSU als Netzwerk zu verstehen, müssen nicht nur ihre nachgewiesene Beteiligung, sondern auch die Rollen und Handlungen anderer involvierter Frauen ernst genommen und untersucht werden. Gender ist dabei eine wichtige Analysekategorie.

 

Eike Sanders ist Mitarbeiterin des apabiz (Berlin), Teil von NSU-Watch sowie Mitglied des Forschungsnetzwerkes Frauen und Rechtsextremismus. Sie arbeitet seit Jahren zur extremen Rechten und gender und publiziert u. a. zu den so genannten »Lebensschützern«. Seit 2011 recherchiert und analysiert sie das neonazistische Netzwerk des NSU und beobachtet regelmäßig den Münchner Prozess.

Donnerstag, 10.11.2016: DOMINIC JOHNSON / SIMONE SCHLINDWEIN / BIANCA SCHMOLZE: Tatort Kongo, Prozess in Deutschland

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Jahrelang und bis vor kurzem führten zwei Ruander von den deutschen Behörden unbemerkt von Deutschland aus die im Kongo kämpfende ruandische Miliz Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas (FDLR), ein Sammelbecken flüchtiger Täter_innen des ruandischen Völkermordes von 1994. Die FDLR ist für brutale Verbrechen im Kongo verantwortlich. Ihr Präsident Ignace Murwanashyaka und der Vizepräsident Straton Musoni wurden 2009 in Deutschland festgenommen, kamen in Stuttgart vor Gericht und wurden 2015 schuldig gesprochen. Dennoch kämpft die FDLR weiter. Die Aufarbeitung der deutschen Mitverantwortung am Kriegsgeschehen im Afrika der Großen Seen steht noch am

Anfang. Warum macht die politische Führung einer ruandischen Exilmiliz Deutschland zu ihrer Operationsbasis? Und warum war es so schwierig, ihr auf die Spur zu kommen?

 

Dominic Johnson, Simone Schlindwein und Bianca Schmolze haben nach jahrelanger Recherche in Deutschland und Afrika sowie vier Jahren Prozessbeobachtung in Stuttgart die Hintergründe dieses kaum bekannten Kapitels deutsch-afrikanischer Zeitgeschichte in einem Buch erläutert.

Donnerstag, 03.11.2016: MARKUS KURTH: Christiane Schulte gegen die Human-Animal Studies. Stil und Grenzen linker Kritik

Ein Anliegen des fingierten Zeitschriftenbeitrags der Gruppe Christiane Schulte war es, die Human-Animal Studies zu diskreditieren. Dort wird behauptet, die Erforschung gesellschaftlicher Mensch-Tier-Verhältnisse stelle einerseits eine unkritische Mainstreamwissenschaft dar und sei andererseits der wissenschaftliche Arm der Tierrechtsbewegung und damit latent menschenfeindlich und rechtsoffen. Diese Argumente sind weder stichhaltig noch neu, aber sie finden Gehör. Im Vortrag wird deshalb über das Verhältnis von Wissenschaft und emanzipatorischer Politik in den Human-Animal Studies zu sprechen sein sowie über die Unfähigkeit linker Kritik zur solidarischen Debatte. Die Analyse der Argumente und Rhetorik gegen die Inklusion von Tieren in linke Theorie kann dabei weit über die konkrete Auseinandersetzung hinaus aufzeigen, dass auch diese Debatten keinen machtfreien Raum darstellen, in dem einfach das bessere Argument gewinnt.

 

Markus Kurth ist Soziologe und forscht als Gründungsmitglied von Chimaira – Arbeitskreis für Human-Animal Studies und Mitherausgeber mehrerer Sammelbände (zuletzt: »Das Handeln der Tiere«, transcript 2016) zu verschiedenen Aspekten der gesellschaftlichen Mensch-Tier-Verhältnisse.

Donnerstag, 27.10.2016: TOM D. UHLIG: Wahnmachen. Eine Adoleszenzkrise des völkischen Protests 

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Die »Montagsmahnwachen für den Frieden«, die seit dem Frühjahr 2014 in bis zu 90 deutschen Städten stattfinden, sind mit dem Auftritt von »Pegida« weitgehend aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Dennoch überdauern die ideologischen Motive in den nachfolgenden »neurechten« Bewegungen. Gegründet in der Absicht, eine militärische Konfrontation der NATO mit Russland zu verhindern, entwickelten sich die Mahnwachen schnell zu einem Forum für Verschwörungstheorien, die internationale Politik oder Phänomene der alltäglichen Lebenswelt erklärbar machen und eine Fremdgruppe hinter allem Übel ausmachen. Der Vortrag befragt den Antiamerikanismus und (strukturellen) Antisemitismus der Konspirationist_innen auf seine psychosoziale Bedeutung und seine komplexitätsreduzierende Logik. Welche Bedeutung kommt dem verdinglichten Gegner für die eigene (nationale) Identität zu?

Tom David Uhlig hat in Frankfurt u. a. Psychologie studiert und ist Mitglied des AK kritische Psychologie sowie Mitherausgeber der Freien Assoziation. Zeitschrift für psychoanalytische Sozialpsychologie.

Donnerstag, 21.07.2016: NIKO DEHDARIAN: Die bayerischen Abschiebelager und das solidarity4all-Protestcamp

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Seit mehr als einem halben Jahr hat es sich die bayerische Landesregierung zur Aufgabe gemacht, Flüchtlinge aus den Balkanstaaten möglichst schnell „rückzuführen“ und dafür zwei riesige Abschiebelager in Ingolstadt/Manching und Bamberg geschaffen. Angeblich handele es sich nur um sogenannte „Wirtschaftsflüchtlinge“. Welche Schicksale die Menschen oft wirklich ereilen und wie perfide die Abschiebe- und Abschreckungspraxis in den Lagern ist, soll in dem Vortrag gezeigt werden.

Der Referent engagiert sich in der Bamberger Initiative „Solidarität mit den Geflüchteten vom Balkan“, die für eine humane Flüchtlingspolitik und eine Abschaffung der Abschiebelager eintritt. Als Teil eines überregionalen Bündnisses organisiert die Initiative das solidarity4all-Protestcamp mit. Der Vortrag soll auch dazu dienen eine Aussicht auf das Camp und die verschiedenen Aktionen zu geben.

Ort: Balthasar, Balthasargässchen 1
Beginn: 20 Uhr
Eintritt: frei

Donnerstag, 14.07.2016 FRANK APUNKT SCHNEIDER: Indie-Hände-gespuckt … Zur Kritik der DIY-Ideologie

Unabhängige Labels – so genannte »Indies« – spielten eine entscheidende Rolle für die Entwicklung der Popmusik, nicht erst seit der Indie Sun Records Elvis Presley entdeckt hat. Im Unterschied zu den »Majors« sind sie mittelständische Unternehmen, die Nischenmärkte bedienen. In den späten 1970ern entstanden allerdings »Independentlabels«, die ihre Unabhängigkeit und das Prinzip der Selbstorganisation als politisches Statement und als Bestandteil einer politischen Gegenkultur verstanden wissen wollten. Für einen kurzen Moment ließ sich ästhetische Dissidenz mit politischer Kritik in eins setzen. Die Do-It-Yourself-Ästhetik von Punk und Post Punk haben zu einer weltweiten Explosion an »unabhängig« und »alternativ« produzierter Musik beigetragen. In den 1980ern entstand hieraus »Indie« als eigenes Musikgenre und »Unkommerzialität« als gefühlter, unklar definierter Wert. Sie bilden die Grundlage der DIY-Ideologie, der Medien als Ersatz für Politik dient und die das Bewusstsein für die Widersprüche des Kapitalismus (die zu thematisieren lange Zeit das wenn auch meist unbewusste politische Moment von Pop war) durch das Wellnessangebot harmonischer Widerspruchsfreiheit ersetzt hat. Damit haben die Indie- und die DIY-Szene in fataler Weise zur Entpolitisierung von Pop beigetragen.

Frank Apunkt Schneider ist unfreundlicher Plattenhändler, unfreier Autor, Mitherausgeber der Zeitschrift Testcard, Mitglied des Künstler_innenkollektivs monochrom und wirkt in der Freien Uni mit. Zuletzt hat er dort über Karen Carpenter gesprochen.

Ort: JUZ Bamberg (Margaretendamm 12a) (!)
Beginn: 19:00 (!)
Eintritt: frei

Donnerstag, 07.07.2016 LUKAS HOHENDORF / SOPHIA LÖSCHE: Der 8. Mai in Bamberg. Erinnerungskultur zwischen Befreiung und Niederlage

07 07 LÖSCHE HOHENDORF

Donnerstag, 07.07.2016
LUKAS HOHENDORF / SOPHIA LÖSCHE: Der 8. Mai in Bamberg
Erinnerungskultur zwischen Befreiung und Niederlage

Die Unterschrift des Oberkommandos der Wehrmacht besiegelte am 8. Mai 1945 die bedingungslose Kapitulation. In Frankreich oder Russland wird er als Gedenktag begangen. Auch in Deutschland war er mal gesetzlicher Feiertag – wenn auch nur in der DDR. Die Bundesrepublik haderte lange damit, den »Tag der Niederlage« zu begehen, um dessen Deutungshoheit noch immer gekämpft wird. Die Geschichte des 8. Mai ist die Geschichte der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Der Vortrag möchte sich am Beispiel Bambergs mit der deutschen Erinnerungskultur auseinandersetzen: In den Akten der Stadt gilt der erste Eintrag zum 8. Mai einer Kranzniederlegung am Ehrenmal des Friedhofs 1985, die eher an den Volkstrauertag denken lässt: Eingeladen waren nur Reichswehr- und Vertriebenenvetreter_innen.

Sophia Lösche hat in Bamberg Germanistik studiert und lebt heute in Leipzig. Erfahrungen zur Bamberger Politik hat sie in ihrer Karriere als Kommunalpolitikerin gesammelt, aus der dann aber doch nichts geworden ist.

Lukas Hohendorf studiert in Bamberg Politikwissenschaft und hat die Studierenden in zahlreichen Bürger_innen-Einbindungs-Veranstaltungen vertreten, wobei er einmal fast einen kleinen Erfolg verbuchen konnte.

Ort: Balthasar, Balthasargäßchen 1 (zwischen Schranne und Kaulberg)
Beginn: 20:00
Eintritt: frei

Donnerstag, 30.06.2016: MARC SCHWIETRING: Strafjustiz als politische Aufklärung? Fritz Bauers Verständnis der Frankfurter Auschwitz-Prozesse als Perspektive auf das Münchner NSU-Verfahren

29 06 SCHWIETRING

MARC SCHWIETRING:
Strafjustiz als politische Aufklärung? Fritz Bauers Verständnis der Frankfurter Auschwitz-Prozesse als Perspektive auf das Münchner NSU-Verfahren

Der ehemalige hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer hat am Beispiel der Frankfurter Auschwitz-Prozesse nach Sinn und Zweck von NS-Prozessen in Deutschland gefragt und den Ansatz einer »Prozessführung im politischen Raum« entwickelt. Im Vortrag soll dieser Ansatz – zusammen mit Bauers Rolle bei den Prozessen – erläutert und zeitgeschichtlich eingeordnet werden. Ebenso sollen seine Grenzen aufgezeigt werden. Als öffentlichkeitswirksame Strafgerichtsprozesse haben sie die Thematisierung des Vernichtungssystems sowie die Auseinandersetzung mit Täterschaft und Schuld ermöglicht und damit zur Vergangenheitsaufarbeitung in der frühen Bundesrepublik beigetragen. Dies wirft die Frage auf, inwiefern Bauers Ansatz heute noch aktuell ist und was er im Sinne gesellschaftlicher Aufklärung zum NSU-Prozess vor dem OLG München beitragen könnte, der häufig als »eines der bedeutendsten Verfahren der deutschen Nachkriegsgeschichte« bezeichnet und als gesellschaftliche Zäsur beschrieben werden.
Marc Schwietring ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der Georg-August-Universität Göttingen. Aktuell arbeitet er in Forschungsprojekten zum NSU-Prozess und zu Rechtsterrorismus in Niedersachsen.

Ort: Balthasar, Balthasargäßchen 1 (zwischen Schranne und Kaulberg)
Beginn: 20:00
Eintritt: frei

Donnerstag, 23.06.2016: AK LOUKANIKOS: »History is unwritten« Kritische Wissenschaft und linke Geschichtspolitik

23 06 AK LOUKARNIKOS

Am Beispiel des Sammelbands History is unwritten (2015) stellt das Autor_innenkollektiv Loukanikos theoretische und praktische Möglichkeiten vor, sich der Geschichte und ihrer Repräsentation zu nähern und in bestehende dominante Geschichtsbilder einzugreifen. Solche vorherrschenden Erzählungen, etwa von der deutschen Nation oder der Marktwirtschaft, sind von Homogenisierungen und Auslassungen bestimmt. Vor dem Hintergrund der geschichtspolitischen Intervention durch politische und künstlerische Initiativen wollen wir diskutieren, wie ein kritisches Eingreifen in solche Erzählungen aussehen kann.

Das AK Loukanikos stromert seit 2010 durch Berlin und erkundet Fragen kritischen Geschichtsbezugs. Seine Veröffentlichungen seit 2012 sind stets in kollektiven Denk-, Arbeits- und Schreibweisen entstanden.
https://historyisunwritten.wordpress.com/

Ort: Balthasar, Balthasargäßchen 1 (zwischen Schranne und Kaulberg)
Beginn: 20:00
Eintritt: frei

fub presents zweimal Kritik der gegenwärtigen Ökonomie: 09.06.2016 Prekarität als akademischer Normalzustand UND 10.06.2016 Firmenhymnen und Firmensongs mit MC Orgelmüller

09 06 & 10 06 KAPPLER ORGLMÜLLER

Donnerstag, 09.06.2016
FLORIAN KAPPELER:
»Es möcht’ kein Hund so länger leben«
Prekarität als akademischer Normalzustand

Prekäre Arbeitsverhältnisse an deutschen Hochschulen sind die Regel: 90% der Stellen im akademischen Mittelbau sind befristet. Akademische Lebensläufe enden häufig im Nichts. Diese Verhältnisse, die aus dem neoliberalen Umbau der Universitäten resultieren, werden politisch durchaus skandalisiert, doch die Kritik ist bislang weitgehend folgenlos geblieben. Der Vortrag zeigt – auch anhand literarischer Beispiele –, wie prekäre Arbeitsbedingungen die eigene Biographie beeinflussen und Widerstand erschweren. Im Anschluss soll diskutiert werden, wie der Widerstand gegen prekäre Arbeitsverhältnisse gestärkt werden kann.

Dr. Florian Kappeler ist Postdoc an der Graduiertenschule für Geisteswissenschaften Göttingen (GSGG). Er arbeitet zur Literatur und Geschichtsschreibung der modernen Revolution und ist Teil der Redaktion des Online-Literaturmagazins undercurrents – Forum für linke Literaturwissenschaft.

Ort: Balthasar, Balthasargäßchen 1 (zwischen Schranne und Kaulberg)
Beginn: 20:00
Eintritt: frei

Freitag, 10.06.2016
MC ORGELMÜLLER:
»Ein Herz braucht das Blut, so wie wir unsere Kunden …«
Firmenhymnen und Firmensongs mit MC Orgelmüller

Mit Musik geht alles besser. Dies haben in den letzten Jahren auch zahlreiche Unternehmen für sich entdeckt. Seitdem lassen sie ihre Beschäftigten ein Loblied auf die Firma singen. Lieder dieser Art heißen »Firmenhymne«, »Firmensong« oder »Motivationssong«. Die Beschäftigen werden in ihnen dazu aufgefordert, sich hochmotiviert, »mit Leib und Seele« einzubringen und sich »ganz und gar« mit dem Unternehmen zu identifizieren. Der Alleinunterhalter MC Orgelmüller präsentiert ausgewählte Firmenhymnen auf der Heimorgel, singt und swingt mit dem Publikum und gibt heiter-aufklärerische Einblicke in dieses junge musikalische Genre, das es beim genaueren Hinhören in sich hat: Affektive Arbeit, ihre Subjektivierung und die Entgrenzung von Arbeit und Leben sind sein Thema. Die musikalische Reise führt in die Werkshallen von VW, Opel und Mercedes, an die Supermarkt-Kassen von Kaufland, Kaiser’s und Edeka sowie in die Personalabteilungen von Henkel, Air Berlin und IBM – und fragt ganz nebenbei, was eigentlich aus dem Arbeiterlied geworden ist …

MC Orgelmüller aka Rudi Maier tourt mit seinen Lecture Performances seit vielen Jahren durch die Clubs und Hörsäle der Republik, besingt linke Mythen, berühmte Bankräuber_innen und den seltsamen Alltag der Menschen im kognitiven Kapitalismus. Firmenhymnen sind Teil seiner (kultur-) wissenschaftlichen Forschung, in der er sich seit langem mit dem Wandel der Arbeitswelt beschäftigt. Zuletzt hat er in der Freien Uni über die Kommunikationsguerrilla gesprochen.

Ort: Balthasar, Balthasargäßchen 1 (zwischen Schranne und Kaulberg)
Beginn: 20:00
Eintritt: frei

fub presents: Feministische Antifas-Doublefeature: 02.06.2016: FANTIFA.FRANKFURT: »Pick-Up-Artists« / 03.06.2016 ANTIFASCHISTISCHER FRAUENBLOCK LEIPZIG: Das Unbehagen mit dem Sternchen

Am 2. und 3. Juni gibt es gleich zwei spannende feministische Vorträge:

  • Fantifa.Frankfurt: »Pick-Up-Artists« – organisierter Sexismus oder künstlerische Technik der Liebe?
  • Antifaschistischer Frauenblock Leipzig:
    Das Unbehagen mit dem Sternchen. Feministische Sprachkritik ist mehr als eine Frage der Zeichen

    02 06 FANTIFA & 03 06 AFBL

Donnerstag, 02.06.2016
FANTIFA.FRANKFURT
»Pick-Up-Artists« – organisierter Sexismus oder künstlerische Technik der Liebe?

»Pick-Up-Artist« nennen sich Männer*, die Techniken lehren und lernen, um Frauen* »aufzureißen«. Das Ziel: Macht über Frauen auszuüben, Dominanz auf Widerstand aufzubauen (denn ein deutliches Nein sei erst der genuin weibliche Ausruf des Wunsches nach Sex). Die aktuelle Popularität von »Pick-Up-Artists« bringt zum Ausdruck, wie anerkannt und tief verwurzelt Sexismus in der Gesellschaft ist. »Pick-Up-Artists« sind kein randständiges Phänomen, sondern fester Bestandteil einer Szene von nationalistischen Lebensschutz- und Anti-Gender-Bewegungen, Männerrechtsvereine und regressiven Parteiprogramme (z. B. der AfD).

Die fantifa.frankfurt ist eine queerfeministische Antifa aus Frankfurt/Main. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind die Bekämpfung reaktionärer, antifeministischer Strukturen in rechten, antisemitischen und nationalistischen Strömungen sowie die Erkundung dessen, was eine queere Form einer kommunistischen Gesellschaft sein kann.

https://fantifafrankfurt.wordpress.com/

Ort: Balthasar, Balthasargäßchen 1 (zwischen Schranne und Kaulberg)
Beginn: 20:00
Eintritt: frei

Freitag, 03.06.2016
ANTIFASCHISTISCHER FRAUENBLOCK LEIPZIG:
Das Unbehagen mit dem Sternchen. Feministische Sprachkritik ist mehr als eine Frage der Zeichen

Die richtige Verwendung von Sprache ist politisch ein umkämpftes Feld. Insbesondere die feministische und die queere Szene fordern adäquate sprachliche Repräsentation. Unterschiedliche Vorschläge wurden in den letzten Jahr(zehnt)en gemacht, um mehr als nur Männer – mitunter auch Frauen – sichtbar zu machen: das Binnen-I, das Sternchen und der Unterstrich sind wohl die bekanntesten. Dagegen richten sich immer wieder selbsternannte »Sprachwahrer«, denen jede Veränderung der Sprache als kultureller Verlust gilt. Im Vortrag sollen diese Reaktionen kritisiert und erklärt werden, warum feministische Sprachkritik wichtig ist. In feministischen und queeren Zusammenhängen scheint jedoch bisweilen die Frage nach der richtigen Form zu Ungunsten der Argumente in den Mittelpunkt zu rücken. Wir wollen uns daher einer feministischen Sprachkritik annähern, die sich einer einseitigen Betonung der Form entzieht.

Der AFBL versteht sich als feministische antideutsche Frauengruppe, die eine feministische Position innerhalb linker Gesellschaftskritik bezieht. Neben Geschlechterverhältnissen, Antifaschismus und Kapitalismus sind unsere Schwerpunkte u. a. Rassismus, Sexismus in und außerhalb der linken und antideutschen Szene, Antisemitismus, der Nationalsozialismus und seine Kontinuitäten bis heute, Religions- und insbesondere Islamkritik, Elternschaft und politische Aktivität sowie die Geschichte der Frauenbewegung.

Ort: Balthasar, Balthasargäßchen 1 (zwischen Schranne und Kaulberg)
Beginn: 20:00
Eintritt: frei

fub goes Kontakt-Festival: Samstag, 28.05.2016: DIDI NEIDHART: Sonic Migrations. Pop-Musik, Migration & Utopie

Diesmal am Samstag und in Kooperation mit dem Kontakt-Festival!

DIDI NEIDHART: Sonic Migrations. Pop-Musik, Migration & Utopie

Schon immer war Popmusik von (gegenseitigem) Diebstahl, von Aneignung, Bastardisierung und dem produktiven Missverständnis des Anderen geprägt.
Dadurch werden – gewollt oder ungewollt – starre Identitätsvorstellungen und kulturelle Zuschreibungen permanent in Frage gestellt und verschoben. Popmusik ist bereits in ihren Anfängen die genuine Kulturform der Migration. Weil sie stets in Bewegung bleibt, können in ihr andere Identitäten entstehen als jene, die aufgrund von Kategorien wie »race«, »gender«, »class« scheinbar vorgegeben sind. In diesem Sinn besteht die »politische« Funktion von Pop im Transportieren und Formulieren utopischer Gesellschaftsentwürfe, ohne deren realpolitische Umsetzung gleich stemmen zu müssen. Anhand ausgewählter Musik-Beispiele begeben wir uns auf eine Reise durch exemplarische Momente der Pop-History, bei denen Grenzen keine Rolle mehr spielen.

Didi Neidhart war Chefredaktuer von skug, schreibt u. a. für testcard, hält Lectures zu Pop-Theorie, ist Musiker und DJ und hat das deutsche Vorwort zu Simon Reynolds Retromania verfasst. 2014 ist von ihm das Buch _Fissionen. Anleitungen zum sonaren Fraking erschienen.

In Kooperation mit Kontakt – das Kulturfestival 2016

Ort: Schreinerei (Festivalcafé) / Lagarde Kaserne (Weißenburgstraße)
Beginn: 17:00
Eintritt: frei

fub presents: Donnerstag, 19.05.2015: ARMIN DUSKE: Komplexität und die Fähigkeit der Welt zur Selbstorganisation

19 05 Duske

ARMIN DUSKE:
Komplexität und die Fähigkeit der Welt zur Selbstorganisation
Seit dem Entstehen der Welt ist sie zunehmend komplexer geworden. Strukturen entstanden, z. B. Sonnen, Planeten und Galaxien. Diese sind aus vielen Arten von Atomen und Molekülen aufgebaut, die ihrerseits erst entstehen mussten und aus denen wiederum Leben und schließlich Bewusstsein hervorgegangen ist. Letzteres erlaubt es der Welt sogar, sich selbst wahrzunehmen. Hier tritt eine Eigenschaft zutage, die wir Selbstorganisation nennen. Der Vortrag möchte einige Prinzipien vorstellen, durch die Selbstorganisation funktioniert und sich aus einfachen Strukturen immer komplexere entwickeln. Ebenso lässt sich an Beispielen zeigen, wie komplexe Systeme eine unerwartete Eigendynamik entwickeln können. Die dargestellten Prinzipien werden anhand von Computersimulationen anschaulich gemacht.

Armin Duske ist Computertechniker bei der Wirtschaftsinformatik in Bamberg. Er beschäftigt sich nebenbei schon lange mit naturwissenschaftlichen, insbesondere physikalischen Themen. Eigenschaften komplexer Systeme – auch im Kontext von Computersimulationen – gehören zu seinen Interessensgebieten.

Ort: Balthasar, Balthasargäßchen 1 (zwischen Schranne und Kaulberg)
Beginn: 20:00
Eintritt: frei

fub presents: Donnerstag, 12.05.2015: ANDREAS KALLERT: Der NSU und die Staatsraison

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»Es dürfen keine Staatsgeheimnisse bekannt werden, die ein Regierungshandeln unterminieren« (Staatssekretär Fritsche vor dem NSU-Untersuchungsausschuss). Der Verfassungsschützer und V-Mann-Führer Temme hält sich 2006 während eines Mordes des NSU am Tatort in Kassel auf. In der Folge verstrickt er sich als Beschuldigter – gedeckt von seinen hessischen Vorgesetzten – in massive Widersprüche und Lügen. Auch nach der Selbstenttarnung des NSU 2011 ändert Temme sein restriktives Aussageverhalten vor Untersuchungsausschüssen sowie dem Münchener NSU-Prozess nicht. Diese »Kassler Problematik« nährt ungeheuerliche Zweifel an der Rolle der »Sicherheitsbehörden«: Sehen sie die Verfassung dadurch geschützt, dass sie eine rassistische Mordserie an ihren Bürger_innen decken? Wie verhalten sich das Vertrauen in den Rechtsstaat und das Staatswohl zu Merkels Versprechen der lückenlosen Aufklärung? Was sind die Konsequenzen für die Täter_innen und »Sicherheitsorgane«? Spätestens Thüringens Festhalten an der V-Mann-/Frau-Praxis unter Rot-Rot verdeutlicht: Die Salamitaktik rund um den NSU-Skandal geht auf und am Ende siegt die Staatsraison.

Andreas Kallert hat (zusammen mit Vincent Gengnagel) den NSU in der Freien Uni schon mehrfach thematisiert. Nicht nur angesichts der gesellschaftlichen Verharmlosung des rechten Terrors in Deutschland hält er eine kritische Diskussion rund um den NSU-Komplex nach wie vor für dringend notwendig.

Ort: Balthasar, Balthasargäßchen 1 (zwischen Schranne und Kaulberg)
Beginn: 20:00
Eintritt: frei

fub presents: Donnerstag, 05.05.2016: CHRISTIAN WERTHSCHULTE: Schreiben, was ist ‒ auch wenn man nicht dabei war. Die Leerstellen der Kölner Silvesternacht und wie sie rassistisch gefüllt wurden

05 05 WERTHSCHULTE

Die Silvesternacht 2015 am Kölner Hauptbahnhof markiert eine Zäsur in Migrations-Diskurs und -Politik. Ihre Signifikanz steht jedoch im Widerspruch zu den Informationen über die tatsächlichen Ereignisse, die auch Monate später immer noch lückenhaft sind: Über die Täter sind sie vom Ermittlungsstand abhängig; aus den Polizei- und Sicherheitsapparaten gelangen sie nur langsam und interessengeleitet an die Öffentlichkeit. Die so entstehenden Leerstellen werden seit dem Beginn der Berichte in erster Linie rassistisch gefüllt. Die Stimmen der Opfer werden dabei marginalisiert, ebenso wie die Einwände von Vereinen und Organisationen, die schon lange gegen sexualisierte Gewalt aktiv sind. Dieser Vortrag möchte zum einen die Ereignisse der Silvesternacht kurz rekonstruieren und zum anderen fragen, mit welchen Stereotypen und Mechanismen die Leerstellen gefüllt wurden.

Christian Werthschulte arbeitet als Politikredakteur bei der Kölner StadtRevue. Zuletzt hat er in der Freien Uni über die britischen Riots gesprochen.

Ort: Balthasar, Balthasargäßchen 1 (zwischen Schranne und Kaulberg)
Beginn: 20:00
Eintritt: frei

fub presents: Donnerstag, 21.04.2016: SEVI MEIER: Zur Legitimität des Gefängnisses

21 04 MEIER

Anschließend an den Vortrag der Gruppe Knas[] im letzten Semester, der eine Kritik am Gefängnis über die Analyse der Ersatzfreiheitsstrafe entwickelte, sollen nun jene ideologischen Beschaffenheiten ermittelt werden, die die Existenz des Gefängnisses begünstigen. Wie sich mithilfe von Foucault zeigt, kann sich die Institution zur Rechtfertigung ihrer Existenz nicht auf das Erreichen ihrer intendierten Wirkungen (Schutz der Gesellschaft, Herstellung von Gerechtigkeit etc.) berufen. Das Gefängnis trotzt jeglicher Empirie und bleibt gegen Kritik immun. Zu seiner Aufrechterhaltung benötigt es ideologische Grundlagen, die Menschen dazu verleiten, anderen die Freiheit zu entziehen und sie der Perspektivlosigkeit auszusetzen.

Sevi Meier studiert Berufliche Bildung/Sozialpädagogik und gehört seit nunmehr drei Jahren den coolen Kids der freien uni bamberg an. Zuletzt hat er dort über die zapatistische Revolution in Mexiko gesprochen.

Ort: Balthasar, Balthasargäßchen 1 (zw. Schranne und Kaulberg)
Beginn: 20:00
Eintritt: frei

fub presents: Donnerstag, 14.04.2016: ANJA GREGOR: Intergeschlechtliche Biographien: Pathologisierung, Tabuisierung, Emanzipation

ANJA GREGOR

Inter*Menschen, so haben biographische Interviews gezeigt, erleben die Interaktion mit medizinischem Personal verschiedentlich als Fremdbestimmung und »Enteignung ihres Körpers«. Aber sie finden auch Mittel und Wege, sich von dieser Kontrolle zu emanzipieren. Der Vortrag dokumentiert ihre Pathologisierung und Zurichtung und beschreibt individuelle Wege, sich aus der medizinischen Kontrolle ihrer Körper und ihrer Geschlechtlichkeit zu lösen, um sie sich selbstbewusst wieder anzueignen. Ein angemessener medizinischer Umgang mit inter* Menschen könnte dabei vor allem in Anlehnung an die »community accountability« entwickelt werden, die abschließend zur Diskussion gestellt werden soll.

Anja Gregor arbeitet am Institut für Soziologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Ort: Balthasar, Balthasargäßchen 1
(zwischen Schranne und Kaulberg)
Beginn: 20:00
Eintritt: frei