Aus weiblicher Perspektive stellen sich Kultur und Politik anders dar, als sie sich in Geschichtsbüchern niederschlagen. Die weibliche Stimme ist eine prekäre. Insofern es sie überhaupt gibt, wird sie nicht gehört und sie verfliegt, anstatt in einen Kanon einzugehen. Das Motiv der Prostituierten in der Literatur etablierte sich, während sich das kapitalistische Wirtschaftssystem im 19. Jahrhundert festigte. Die Prostituierte als literarische Figur wurde zur ultimativen Allegorie des Warenfetischismus. Die Stimme der Prostituierten in der kapitalistischen Realität ist selbst subaltern und machtlos. Egal wie sie dargestellt werden, solange sie nicht für sich selbst sprechen, sind Frauen sprachlose Objekte in den »Klassikern« männlicher Autoren. Mit der aufkommenden und erstarkenden Frauenbewegung mehren sich die weiblichen Stimmen im Literaturbetrieb. Und die subalterne, promiskuitive bis prostituierte Frau beginnt für sich selbst zu sprechen. Die Spur der emanzipierten und emanzipatorischen weiblichen Stimme lässt sich bis heute verfolgen. Die als problematisch geltende Rapperin und ehemalige Prostituierte Schwesta Ewa dreht den Spieß allerdings um. Sie spricht nicht mehr nur für sich, sondern versteht sich als Sprachrohr der Unterklasse.
Julia Ingold ist Literaturwissenschaftlerin an der Uni Bamberg. Ihre Doktorarbeit hat sie über die deutsch-jüdische Avantgarde-Künstlerin Else Lasker-Schüler geschrieben. Ansonsten beschäftigt sie sich mit Comics, Popmusik und Literaturtheorie.
Link: https://uni-bamberg.zoom.us/j/95941800585
Beginn: 20:00
Eintritt/Zugang: frei