Donnerstag, 07.11.
FATMA UMUL:
#direngezi! (Leiste Widerstand, Gezi!)
Der Aufstand gegen Erdoğan: Occupy-Bewegung oder ›türkischer Frühling‹?
»Wir sind die Mehrheit, wir wurden gewählt, wir sind demokratisch legitimiert!« – Mit Propagandaaussagen wie diesen versuchte der türkische Premier Erdoğan, die Widerstände gegen die Zerstörung des Gezi-Parks als unrechtmäßig zu diskreditieren. Seine neo-osmanische Ein-Mann-Autorität verhalf ihm, Soldat_innen in Polizeiuniformen kleiden zu lassen, Polizeiterror zu legitimieren und die Medien zu zensieren. Das Ergebnis: fünf Tote und tausende Verletzte! Der brutale Umgang mit den aufgebrachten Bürger_innen zeigte die engen Grenzen des Demokratieverständnisses Erdoğans auf. Die Forderung nach dem Erhalt der Bäume im Gezi-Park transformierte sich innerhalb weniger Stunden zu einer Revolte gegen die Herrschenden. Kurz nach der Besetzung hieß es in einer Rede: »Wir werden nicht erlauben, dass die menschliche Arbeitskraft, die Städte, die Wälder, das Wasser, die Bildung […] zugunsten von Profit keinen Wert mehr haben«. Neben der Darstellung der Ereignisse und einem historischen Abriss darüber, wie die Gezi-Aufstände in der Geschichte der Türkei einzuordnen sind, soll darüber diskutiert werden, welche globalen Diskurse mit der 15-tägigen Besetzung des Gezi-Parks angestoßen wurden, die auch nach der Räumung des Parks in zahlreichen Park-Foren Thema sind.
Fatma Umul hat 2013 ein Praktikum bei der unabhängigen Frauenorganisation Mor Çatı in İstanbul gemacht. Als die Aufstände losgingen, dachte sie kurz, die Revolution sei ausgebrochen. Zutiefst enttäuscht über die Räumung der Gezi-Kommune will sie jetzt darüber diskutieren.
Ort: Balthasar, Balthasargässchen 1 (zwischen Schranne und Kaulberg)
Beginn: 20:00
Eintritt: frei
Freitag, 08.11.
FATMA UMUL:
»AKP, nimm deine Hände von meinem Körper!«
Erdoğans Frauenpolitik
»Wenn wir eine starke Nation sein wollen, dann brauchen wir starke Familien. Starke Familien mit mindestens drei Kindern«. Mit Aussagen wie diesen versucht der türkische Premier Erdoğan seit den jüngsten Wahlen im Jahre 2011, ›die Frau‹ als Objekt für seine neoliberale Wirtschaftspolitik zu instrumentalisieren. Seine konservative Familienideologie gibt vor, Gewalt in der Familie zu bekämpfen, tabuisiert diese aber, wenn sie sich gegen Frauen richtet. Die impliziten Einschränkungen des Abtreibungsgesetzes waren der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Es wurden ›Überzeugungszimmer‹ etabliert, in denen Frauen von eigenständigen Entscheidung abgebracht werden sollen. Bei Schwangerschaft aufgrund einer Vergewaltigung lautet die Lösung der Regierung: »Ihr könnt gebären und wir erziehen das Kind«. Die neuen Gesetze lassen ›die Frau‹ in der Gesellschaft unsichtbar werden. Kritik und Gegenwind erfährt Erdoğan durch zahlreiche feministische Organisationen wie Mor Çatı.
Der Vortrag gibt einen Einblick in den historischen Verlauf der zweiten Welle der türkischen Frauenbewegung, die sich in den 1980ern vollzog. Am Beispiel der Arbeit von Mor Çatı werden unterschiedliche feministische Diskurse im Bezug auf aktuelle Ereignissen dargestellt. Der Vortrag soll die Grundlage für eine gemeinsame Diskussion bilden. Angeschnitten wird dabei auch die Debatte zwischen feministischen Organisationen in der Türkei, die Frauen vorbehalten sind, und der LGBT (Lesbian/Gay/Bisexual/Trans) Bewegung.
Fatma Umul wurde in ihrem Praktikum bei Mor Çatı mit dem Feminismus der 1970er Jahre in Deutschland konfrontiert und fragt sich nun, ob es nicht besser wäre, wenn der Feminismus davon absähe, sein Subjekt ›Frau‹ vollkommen zu dekonstruieren.
Ort: Balthasar, Balthasargässchen 1 (zwischen Schranne und Kaulberg)
Beginn: 20:00
Eintritt: frei